HAMBURG (dpa-AFX) - Der Cum-Ex-Skandal ist jetzt Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in der Hamburgischen Bürgerschaft. CDU, Linke und die einzige FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein setzten das Gremium am Mittwoch mit der dafür notwendigen Stimmenzahl von einem Fünftel aller Abgeordneten durch. Im Kern wird es um die Frage gehen, ob führende SPD-Politiker Einfluss auf Entscheidungen des Finanzamts genommen haben, der in den Cum-Ex-Skandal verwickelten Warburg-Bank eine Steuernachforderung in zweistelliger Millionenhöhe zu erlassen.
Im Fokus stehen dabei der damalige Hamburger Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz sowie der gegenwärtige Bürgermeister und damalige Finanzsenator Peter Tschentscher. Auch der frühere haushaltspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Johannes Kahrs, sowie der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und Innensenator Alfons Pawelczyk werden in dem siebenseitigen Antrag erwähnt.
Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen erweiterten mit einem Zusatzantrag den vom Ausschuss zu bearbeitenden Untersuchungszeitraum. "Cum-Ex-Geschäfte der Warburg Bank sind auch schon vor 2016, mutmaßlich ab 2006 getätigt worden", erklärte der Grünen-Obmann im Ausschuss, Farid Müller. Insofern sei es sinnlos, den Untersuchungszeitraum - wie von CDU und Linken gefordert - nur auf die Jahre 2016 und 2017 einzugrenzen.
Hintergrund für den Ausschuss sind Treffen von Scholz 2016 und 2017 mit dem Warburg-Miteigentümer Christian Olearius, gegen den damals Ermittlungen wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften liefen. Später ließ Hamburg eine Steuernachforderung in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren, eine weitere über 43 Millionen Euro wurde erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert.
Die Treffen waren durch Tagebucheinträge von Olearius bekanntgeworden, die auch eine enge Verbindung von Bankvertretern mit der zuständigen Finanzbeamtin nahelegten. Scholz und Tschentscher haben alle Vorwürfe bereits mehrfach zurückgewiesen. Sowohl im Finanzausschuss des Bundestags als auch im Bundestag selbst betonte SPD-Kanzlerkandidat Scholz, es habe keine Einflussnahme gegeben. Ähnlich hatte sich zuletzt auch Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft geäußert.
Der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, sagte dagegen: "Dieser Ausschuss ist überfällig, weil das Versprechen einer umfassenden Aufklärung durch den Senat eiskalt und frech nicht eingehalten wurde." So hätten Mitglieder des Senats vor den Wahlen zugesichert, sich um eine (Teil-)Aufhebung des Steuergeheimnisses zu bemühen und so eine Aufklärung zu ermöglichen. "Aber auch hier ist wieder überhaupt nichts passiert", beklagte Hackbusch.
Die Warburg Gruppe warf CDU, Linken und Treuenfels-Frowein vor, den Ausschuss allein zu politischen Zwecken im Bundestagswahlkampf eingerichtet zu haben. "Dabei wird eine Rufschädigung der Warburg Gruppe, ihrer Mitarbeiter und ihrer Gesellschafter als Kollateralschaden bedenkenlos in Kauf genommen."
Die Gruppe habe bereits mehrfach klargestellt, dass es von ihrer Seite keine unzulässige Einflussnahme auf Politik oder Verwaltung gegeben habe. Die bei der Warburg Gruppe in Rede stehenden Steuerbeträge machten zudem nur einen Bruchteil des berichteten Cum-Ex-Gesamtschadens aus. "Dennoch nimmt die Darstellung von Warburg in der Öffentlichkeit unverhältnismäßig mehr Raum ein."
Für Olearius und Max M. Warburg erklärten deren Anwälte: "Die Gesellschafter beabsichtigten niemals, sich gesetzeswidrige Vorteile oder überhaupt Vorteile im Umgang mit politischen Persönlichkeiten zu verschaffen." Die Finanzbehörden in Hamburg hätten jeden Vorgang überprüft und ihre Ergebnisse allen anderen Finanzämtern und der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. "Derartiges wäre bei rechtswidrigen Einflussnahmen oder den bösartig dahergeredeten, angeblichen "Steuergeschenken" durch ein verbotenes Verjährenlassen motivisch völlig undenkbar."
Die Anwälte wiesen auch darauf hin, dass nicht die Warburg Bank als Käuferin der Aktien, sondern die Deutsche Bank
Cum-Ex gilt als der größte Steuerbetrug in der deutschen Geschichte. Bei solchen Geschäften nutzten Investoren eine Lücke im Gesetz. Rund um den Dividenden-Stichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten und Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand geschätzt ein Schaden in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro./klm/DP/he
Quelle: dpa-Afx