FRANKFURT/BERLIN (dpa-AFX) - In der Immobilienkrise geraten Gewerbeobjekte immer stärker unter Druck - an vorderster Stelle Büros, die unter dem Trend zum Homeoffice leiden und zunehmend die Bilanzen von Banken belasten. Die Turbulenzen treiben Politik und Aufsichtsbehörden um.
Die Preise für Gewerbeimmobilien fielen dem Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) zufolge im vierten Quartal 2023 um gut 12 Prozent zum Vorjahreszeitraum beziehungsweise 4,9 Prozent zum Vorquartal - getrieben vom Verfall bei Büroobjekten. Der Verband, der die wichtigsten Immobilienfinanzierer in Deutschland vertritt, sprach am Montag von größten je gemessenen Preisrückgang bei Gewerbeimmobilien. Zum Vergleich: Wohnimmobilien verbilligten sich lediglich um 6,1 Prozent binnen Jahresfrist bzw. 1,6 Prozent zum Vorquartal.
"Aufgrund der Unsicherheit über die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und der nach wie vor unklaren Auswirkungen des Homeoffice-Trends auf die benötigte Bürofläche bleibt die Nachfrage nach Büros verhalten, was die Preise weiter drückt", sagte VDP-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt.
Markt für Büroimmobilien zusammengebrochen
Auch bei Einzelhandelsimmobilien fielen laut VDP zuletzt die Preise stark, wenn auch nicht ganz so stark wie bei Büros. Das Ausmaß der Krise zeigen Daten des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle (JLL). Demnach ist das Transaktionsvolumen mit Büroimmobilien in Deutschland 2023 um 76 Prozent auf rund 5,2 Milliarden Euro eingebrochen.
Weil mit dem Homeoffice-Trend weniger Büroflächen gebraucht werden, steht der Markt für diese Immobilien in vielen Ländern unter Druck. Besonders betroffen sind die USA, wo die Folgen der Bürokrise mehrere kleinere Banken belasten. So kam zuletzt die New York Community Bancorp in Schwierigkeiten, die auch wegen fauler Immobilienkredite Verluste schrieb. Erst vor rund einem Jahr hatte der US-Immobilienmarkt eine Bankenkrise ausgelöst, als mehrere Regionalbanken wegen rasant gestiegener Zinsen zusammenbrachen. Entsprechend hellhörig sind Investoren und Aufseher bei den neuerlichen Schieflagen.
Der Markt für Gewerbeimmobilien durchlaufe eine "Anpassungsperiode", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Montag im Gespräch mit Bloomberg TV. "Die Zinsen sind weit höher als erwartet und so sind viele Unternehmen in Sorge und müssen ihre Erwartungen korrigieren. Ich denke, wir müssen uns der Situation bewusst sein." Von allem, was er wisse, sei der Gesamtmarkt aber stabil, so Lindner.
Die Europäische Zentralbank (EZB) droht Banken mit problematischen Gewerbeimmobilien-Krediten laut Insidern mit höheren Kapitalanforderungen. Dies gelte für den Fall, dass Institute die Risiken in diesem Geschäft nicht ausreichend im Griff hätten, berichtete jüngst die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Kreise.
Unter den Banken in der EU sind die Institute aus Deutschland und Frankreich besonders stark bei Gewerbeimmobilien engagiert, wie aus Daten der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) hervorgeht. Zudem sind etliche Banken, darunter die Landesbank Helaba, vom Kollaps des Immobilienimperiums des österreichischen Unternehmers René Benko betroffen, zu dessen Signa-Gruppe unter anderem die Kaufhauskette Galeria gehört.
Deutsche Pfandbriefbank
Die Probleme bei Gewerbeimmobilien erfassen inzwischen auch deutsche Banken. Im Zentrum steht die Deutsche Pfandbriefbank, die viele Kredite für Bürogebäude und Einkaufszentren in den USA vergeben hat. Das Geldhaus aus Garching bei München musste im vierten Quartal ihre Risikovorsorge gegen Krisen anheben und versuchte jüngst mit einer Stellungnahme zu ihrer Liquiditätsausstattung, Investoren zu beruhigen. Das Institut, dessen Aktie in der vergangenen Woche abgestürzt ist, spricht von der "größten Immobilienkrise seit der Finanzkrise".
Auf dem amerikanischen Markt für Gewerbeimmobilien ist auch die Deutsche Bank
Ein Ende der Immobilienkrise ist laut Verband der Pfandbriefbanken nicht in Sicht. "Eine Trendwende bei den Immobilienpreisen, über die bereits des Öfteren in der Öffentlichkeit spekuliert wird, ist noch nicht absehbar", sagte Hauptgeschäftsführer Tolckmitt. "Auch 2024 wird vorerst schwierig bleiben." Bei den Preisen für Wohnimmobilien könne mit einer Stabilisierung im Sommer gerechnet werden, bei Gewerbeimmobilien nicht vor Jahresende./als/DP/ngu
Quelle: dpa-Afx