HANNOVER (dpa-AFX) - Koalitions-Kalkül anstelle fachlicher Zuständigkeit: Der Autobranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht in einem möglichen VW
Bislang hat neben der federführenden Staatskanzlei üblicherweise das Wirtschaftsministerium in Hannover den zweiten Aufseher der Landesregierung im 20-köpfigen obersten Volkswagen
Dudenhöffer betonte, in der Steuerung des "Weltkonzerns VW" müsse es vor allem um ein tiefes Verständnis und um thematische Expertise in der Auto- sowie Zulieferindustrie gehen - nicht um "landespolitische Opportunitäten". "Die Entscheidung für den Aufsichtsrat wirkt daher eher willkürlich, dem politischen Proporz der niedersächsischen Regierung geschuldet", kritisierte er im Hinblick auf die Pläne.
Auf die Frage, ob nicht ein anderes Ressort als das Kultusministerium geeigneter für die Mitkontrolle des Autobauers wäre, verwies Hamburg auf die entsprechende Abstimmung unter den Koalitionären: "Wir sind der Überzeugung, dass wir die Dinge zusammen angehen werden, und das gilt auch für den VW-Aufsichtsrat." Weil ergänzte: "Persönlich freue ich mich, auch in diesem Bereich mit der künftigen stellvertretenden Ministerpräsidentin zusammenarbeiten zu können." Aus dem Umfeld des Aufsichtsrats war zu hören, die politische Couleur der Mandatsträger im Gremium sei in der Vergangenheit kein größerer Faktor gewesen.
Deutschlands größtes Industrieunternehmen mit Stammsitz in Wolfsburg ist ein zentrales Thema in der Standort- und Wirtschaftspolitik des Landes. Die Grünen-Fraktion hatte aus der Landtagsopposition mehrfach kritische Anfragen gestellt - vor allem wegen Volkswagens Rolle in der westchinesischen Region Xinjiang, in der Menschenrechtler systematische Schikanen gegen die Minderheit der Uiguren beklagen. Der neue Konzernchef Oliver Blume reist in dieser Woche zusammen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) und weiteren Wirtschaftsgrößen nach Peking.
Für VW ist China der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt, auch in Xinjiang betreibt das Unternehmen ein Werk. Durch eine grüne Regierungsbeteiligung könnte die Politik womöglich direkter Einfluss nehmen, war vor den Koalitionsrunden spekuliert worden. Dudenhöffer sagte: "Dass von Grünen-Politikern eine klare Anti-China-Strategie verfolgt wird, macht die Entscheidung zur Besetzung des Aufsichtsrats mit Frau Hamburg zusätzlich ernüchternd." Dies zeige erneut, dass VW "kein normales Unternehmen ist, sondern zu stark von Landespolitik und Gewerkschaft geprägt wird". Kritiker der Präsenz deutscher Konzerne in China hoffen hingegen gerade auf politische Mitsprache.
Niedersachsen kann über eine Beteiligungsgesellschaft noch weitere große Unternehmen in grundsätzlichen Fragen "co-managen". Mitglieder der Landesregierung sitzen etwa im Aufsichtsrat des Stahlkonzerns Salzgitter, der in Richtung CO2-neutrale Produktion umsteuern will. Zudem hat das Land große Anteile an der NordLB und Deutschen Messe./jap/DP/mis
Quelle: dpa-Afx