BERLIN (dpa-AFX) - Vertreter der E-Zigarettenbranche wollen vor Gericht ziehen und verhindern, dass ihre Produkte deutlich höher besteuert werden als bisher. Wegen der Tabaksteuerreform werde man Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen, sagte der Vorsitzende des Bündnisses für tabakfreien Genuss, Dustin Dahlmann, der dpa in Berlin. Am Mittwoch hatte ein Bundestagsausschuss einer Gesetzesänderung zugestimmt, der zufolge auf ein 10 Milliliter-Liquid für E-Zigaretten im nächsten Jahr 1,60 Euro mehr Steuern anfallen. Bis 2026 soll die Tabaksteuer auf 3,20 Euro steigen. "Das ist völlig unverhältnismäßig", sagt Dahlmann.
Derzeit fällt auf die Flüssigkeiten für die Verdampfer nur Mehrwertsteuer an. Zusätzlich zur Mehrwertsteuer soll ab nächstem Jahr auch Tabaksteuer fällig werden. Aktuell kostet ein 10-Milliliter-Liquid grob gesagt 5 Euro - in fünf Jahren würde sich so ein Behältnis auf circa 8,20 Euro verteuern, sollte der Nettopreis gleich bleiben. Branchenvertreter Dahlmann verweist darauf, dass in den Liquids wesentlich weniger Schadstoffe enthalten seien als bei Tabakzigaretten. "Dieser Vorteil muss sich auch steuerlich niederschlagen." In der Gesetzesnovelle sei das aber nicht der Fall.
Für Unverständnis sorgt in der Branche zudem die Berechnung des Finanzministeriums, der zufolge in den Jahren 2022 bis 2026 die Tabaksteuer-Einnahmen mit Liquids von 108 auf 717 Millionen Euro steigen werden. "Das würde bedeuten, dass wesentlich mehr Menschen als heute mit dem Dampfen anfangen - aber das ist bei den absehbaren Preissprüngen unrealistisch", sagt der Branchenvertreter.
Er wirft dem Gesetzgeber vor, mit dem nun eingeschlagenen Reformkurs ein eigentliches Ziel des Gesetzes zu verfehlen, und zwar einen besseren Gesundheitsschutz. Anstatt Menschen mit einer relativ niedrigen Besteuerung vom Rauchen zum E-Zigarettenkonsum zu bringen, werde das Gegenteil getan: "Die E-Zigarette wird mit einem starken Steuersprung unattraktiver gemacht, während der Steueraufschlag auf die Tabakzigarette nur gering ist."
In Großbritannien falle auf Liquids nur die Mehrwertsteuer an und ihr Konsum werde von Gesundheitspolitikern für abhängige Raucher empfohlen, sagte Dahlmann. Das Vereinigte Königreich habe mittlerweile eine Raucherquote von nur noch 14 Prozent. In Deutschland rauche hingegen noch etwa jeder vierte Erwachsene, damit stehe man im internationalen Vergleich sehr schlecht da.
E-Zigaretten sind noch eine Nischenbranche in Deutschland. Nach Schätzung des Bündnisses für tabakfreien Genuss machte die E-Zigarettenbranche im vergangenen Jahr hierzulande einen Umsatz von 450 Millionen Euro mit Liquids und Geräten. Eine von der britischer Gesundheitsbehörde in Auftrag gegebene Studie kam 2015 zu dem Schluss, dass E-Zigaretten etwa 95 Prozent weniger schädlich seien als Tabakzigaretten.
Es gibt aber auch kritische Stimmen. So verweist das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) auf Aerosole, die beim Erhitzen von Liquids entstehen und krebserregende oder möglicherweise krebserregende Substanzen enthalten können. "Im Vergleich zu Tabakzigaretten sind E-Zigaretten zwar sehr wahrscheinlich deutlich weniger schädlich, dennoch sind sie keine harmlosen Life-Style-Produkte", heißt es vom DKFZ. "Nichtraucher sollten E-Zigaretten wegen der unbekannten langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit nicht verwenden." Das Bundesamt für Risikobewertung nennt E-Zigaretten "alles andere als harmlos".
In der Nacht zu Freitag soll der Bundestag im Plenum über die Tabaksteuer-Reform abstimmen, am 25. Juni ist der Bundesrat am Zug. Es ist so gut wie sicher, dass die Novelle mit ihrem jetzigen Inhalt angenommen wird./wdw/DP/zb
Quelle: dpa-Afx