LUTON (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie hat dem britischen Billigflieger Easyjet
An der Börse ging es für die Easyjet-Aktie wie für andere Papiere aus der Luftfahrtbranche abwärts. Bis zur Mittagszeit verlor die Aktie in London 2,29 Prozent auf 759,81 britische Pence, nachdem sie nach den Nachrichten zu einem aussichtsreichen Impfstoff in der vergangenen Woche kräftig zugelegt hatte. So müssen sich auch Fluggesellschaften voraussichtlich noch einige Monate gedulden, bis erste Impfstoffe gegen das Coronavirus nicht nur zugelassen sind, sondern auch ein größerer Teil der Bevölkerung geimpft worden ist.
Auch deshalb will Easyjet im laufenden Quartal nur noch höchstens ein Fünftel des ursprünglich vorgesehenen Flugprogramms anbieten. Anfang Oktober hatte das Management noch rund ein Viertel anvisiert. Eine Einschätzung für die folgenden Monate wollte Lundgren nicht abgeben. In der derzeitigen Lage könne man kaum über das laufende Quartal hinaussehen, sagte er in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Zu einer Ergebnisprognose für das im Oktober angelaufene neue Geschäftsjahr sah sich der Manager angesichts der Pandemie schon gar nicht in der Lage. Easyjet versuche, die Verluste in der kalten Jahreshälfte zu begrenzen, hieß es.
Um die wohl schwerste Krise der Luftfahrtbranche zu überstehen, hat sich Easyjet seit Ausbruch der Pandemie bereits 3,1 Milliarden britische Pfund an frischem Geld besorgt. Für die Rückzahlung der Mittel aus dem britischen Corona-Hilfsprogramm hat sich Easyjet jetzt mehr Zeit ausgehandelt. Die Airline muss die Summe von 600 Millionen jetzt in zwei Hälften im März und im November 2021 zurückzahlen.
Lundgren zufolge spricht Easyjet auch mit Regierungen anderer Länder über mögliche Unterstützung. Dazu zählt offenbar auch die deutsche Bundesregierung. "Wir haben eine große Präsenz in Deutschland, haben vor der Krise für einen gesunden Wettbewerb gesorgt und dafür viel Geld investiert", hatte die "Wirtschaftswoche" Lundgren Anfang November zitiert. Am Dienstag verwies er darauf, dass viele Staaten ihre heimischen Airlines mit hohen Summen unterstützt hätten. Easyjet mache den Regierungen nun deutlich, welche Bedeutung das Unternehmen für ihre Länder habe.
Ende September verfügte Easyjet noch über flüssige Mittel von 2,3 Milliarden Pfund. Um die Kasse weiter aufzufüllen, verkaufte die Fluggesellschaft im Oktober und Anfang November weitere Airbus-Flugzeuge und mietet sie seither zurück. Zudem streicht die Airline wegen des Nachfrageeinbruchs rund 4500 der zuvor etwa 15 000 Jobs.
Trotz der schweren Branchenkrise zeigte sich Lundgren überzeugt, dass der Wunsch der Kunden nach Flugreisen im Grundsatz immer noch groß ist. "Je länger die Reisebeschränkungen dauern, desto mehr Nachfrage wird sich aufstauen", sagte er. Wenn Flugreisen wieder problemlos möglich würden, werde sich das Geschäft daher sehr stark erholen, schätzt er.
Einen Beleg für seine These sieht er in den Buchungen für die Kanarischen Inseln. Denn als die britische Regierung die Quarantänepflicht für Reisen auf die Kanaren Ende Oktober gestrichen habe, habe sich die Zahl der Buchungen für diese Flüge bei Easyjet in den ersten fünf Tagen fast verzehnfacht.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr bis Ende September riss der Einbruch des Flugverkehrs infolge der Pandemie den Billigflieger tief in die roten Zahlen. Unter dem Strich stand ein Minus von fast 1,1 Milliarden britischen Pfund (1,2 Mrd Euro) nach einem Gewinn von 349 Millionen Pfund im Vorjahr. Erste Eckdaten hatte Easyjet bereits im Oktober veröffentlicht.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr war die Zahl der Fluggäste infolge der Reisebeschränkungen und des Einbruchs der Nachfrage um die Hälfte auf gut 48 Millionen eingebrochen. Betroffen war vor allem das zweite Geschäftshalbjahr, das bei Easyjet von April bis September dauert. In den Monaten April bis Juni stand die Flotte praktisch still, und auch danach erholte sich die Nachfrage nur leicht, bevor sie im Zuge steigender Infektionszahlen und neuer Reisebeschränkungen wieder zurückging.
Zugleich rüstet sich Easyjet für einen endgültigen Brexit ohne Abkommen. Notfalls will das Unternehmen die Stimmrechte von Aktionären aus Großbritannien sowie anderen Ländern außerhalb von EU, Schweiz, Norwegens, Islands und Liechtensteins beschneiden. Dies soll sicherstellen, dass Easyjet mehrheitlich von EU-Aktionären kontrolliert wird und damit keine wichtigen Verkehrsrechte verliert. Derzeit befindet sich die Fluggesellschaft nach eigenen Angaben derzeit nur zu rund 45 Prozent im Eigentum und unter der Kontrolle von EU-Aktionären - wenn man Anteilseigner aus Großbritannien schon jetzt herausrechnet./stw/ngu/fba
Quelle: dpa-Afx