BERLIN (dpa-AFX) - Getragen von einem kräftigen Plus bei Elektrofahrzeugen ist die Zahl der neu zugelassenen Autos in Deutschland 2022 knapp über das Vorjahresniveau gestiegen. Gut 2,65 Millionen Wagen kamen im vergangenen Jahr neu auf die Straße - ein Plus von 1,1 Prozent im Vergleich zu 2021, wie das Kraftfahrt-Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Während die Autoindustrie im ersten Halbjahr noch mit elf Prozent weniger Neuzulassungen konfrontiert war, gingen die Zulassungszahlen zuletzt deutlich nach oben. Im Dezember lag das Plus bei 38,1 Prozent. Gerade der Absatz an Elektrofahrzeugen könnte aber schon bald wieder sinken.
Denn der Anstieg in den vergangenen Monaten dürfte eine Folge der Prämienanpassungen sein: Mit dem Jahreswechsel lief die Förderung von Plug-in-Hybriden aus, für reine Elektrofahrzeuge wurde sie gesenkt. Kurz vor der Anpassung wurden nun im Dezember mehr als doppelt so viele Elektrofahrzeuge (vollelektrische Autos und Plug-in-Hybride) neu zugelassen als ein Jahr zuvor - erstmals waren es zudem mehr elektrische Fahrzeuge als Verbrenner.
Rund 833 000 Elektrofahrzeuge kamen 2022 neu auf die Straße (plus 22 Prozent) - davon allein rund 174 000 im Dezember. Bei 470 500 Fahrzeugen handelte es sich um reine Elektroautos (plus 32,2 Prozent). Auch hier war der Dezember mit rund 104 300 Neuzulassungen in dieser Kategorie auffällig.
Plug-in-Hybride, die neben einem Elektro-Motor auch noch einen Verbrenner nutzen, werden seit Jahresbeginn nicht mehr gefördert. Für Batterie- und Brennstoffzellen-Autos sind die Förderprämien gesunken. Maximal können die Käufer vollelektrischer Autos nun vom Staat statt 6000 noch 4500 Euro erhalten, wenn ihr Wagen mit weniger als 40 000 Euro netto in der Verkaufsliste steht. Für teurere Fahrzeuge bis zu einem Netto-Listenpreis von 65 000 Euro gibt es noch 3000 Euro statt bislang 5000 Euro. 2024 sinken die Förderprämien weiter.
Im Dezember 2022 dürften also viele Autokäufer versucht haben, die höheren Prämien noch zu erhalten. Das Beratungsunternehmen EY sieht in den Dezember-Zahlen daher einen "künstlichen Elektro-Boom". Für 2023 erwarten Verbände und Experten, dass sich Plug-in-Hybride deutlich schlechter verkaufen werden. Für reine Elektroautos sind die Prognosen unterschiedlich. "Die Katerstimmung in den kommenden Monaten ist damit allerdings vorprogrammiert", schrieb EY am Mittwoch. Auch aus Sicht des Verbands der Automobilindustrie (VDA) lässt die Entwicklung auf "vorgezogene Käufe" schließen.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bezeichnete den Anstieg bei den vollelektrischen Autos als "Riesenerfolg auf unserem Weg zu einer klimafreundlichen Mobilität". Im vergangenen Jahr sei die Zahl öffentlich zugänglicher Ladepunkte um knapp die Hälfte auf gut 70 000 gewachsen. "Eine flächendeckende, nutzerfreundliche und bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur ist Voraussetzung für den Durchbruch der Elektromobilität. Jetzt muss die Energiepolitik nachziehen", sagte Wissing laut Mitteilung. "Das Stromnetz muss leistungsfähiger werden und neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien werden wir auch noch länger die Kernenergie brauchen, damit E-Autos nicht mit schmutzigem Kohlestrom fahren."
Der allgemeine Aufwärtstrend bei den Zulassungszahlen begann im September, damals gingen die Neuzulassungszahlen um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat nach oben, im Oktober dann um fast 17 und im November um gut 31 Prozent. Im ersten Halbjahr herrschte dagegen gedrückte Stimmung. "Im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 verbleibt 2022 eine erhebliche Absatzlücke von rund 26 Prozent", resümierte der VDA. Die Hersteller vermeldeten im Verlauf der vergangenen Monate dennoch Milliardengewinne.
Mit dem Endspurt schließe "das Autojahr 2022 versöhnlich, auch wenn der Markt insgesamt deutlich unter den Erwartungen blieb", sagte Reinhard Zirpel, Präsident des Verbandes der internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK). "Die Lieferfähigkeit ist weiterhin eine Herausforderung, hat sich aber deutlich verbessert. Die Hersteller können die derzeit hohen Auftragsbestände nach und nach abarbeiten."
Nach Ansicht von Greenpeace spiegeln die Zulassungszahlen das Klimaproblem des Verkehrs wider. "Solange Jahr für Jahr mehr schwere SUV verkauft werden und die Zahl der gemeldeten Pkw auf immer neue Rekordzahlen wächst, rasen wir tiefer in die Klimakrise", sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer. Fast 30 Prozent der 2022 zugelassenen Autos waren Stadtgeländewagen. Sie haben damit den größten Anteil an den Neuzulassungen. Die Hersteller erhoffen sich vom Verkauf größerer Autos bessere Margen./nif/DP/ngu
Quelle: dpa-Afx