BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Der Dialysespezialist Fresenius Medical Care (FMC ) sieht in der Gerichtsschlappe des Konkurrenten Davita in den Vereinigten Staaten keine Gefahr für das eigene Geschäft. "Wir gehen nicht davon aus, dass dieser Fall die Beziehungen zwischen Leistungserbringern und Krankenversicherern grundlegend verändern wird", hieß es in einer am späten Dienstagabend veröffentlichten Stellungnahme des Unternehmens. Die Fresenius-Tochter erwartet deshalb auch keine finanziellen Auswirkungen auf das laufende Geschäftsjahr. Davita hatte vor dem Obersten Gerichtshof der USA im Streit um bestimmte Dialysevergütungen eine Niederlage erlitten. Die Aktienkurse des US-Unternehmens und auch der von FMC brachen daraufhin am Dienstag ein.

An der Börse half die Mitteilung von FMC der Aktie erst mit etwas Verzögerung. Nach einem Kursrutsch am Dienstag um rund neun Prozent im Sog des Davita-Urteils war das im Dax notierte Papier zunächst am Mittwochmorgen weiter gefallen. Mit einem Verlust um bis zu knapp vier Prozent hatte die Aktie bei Kursen um 44 Euro den tiefsten Stand seit 2011 markiert. Bis zum frühen Mittag drehte das Papier dann aber in die Gewinnzone, zuletzt stand hier ein moderates Plus von einem halben Prozent. Die Aktie hat bereits eine lange Talfahrt hinter sich: Seit dem Rekordhoch bei knapp 94 Euro Anfang 2018 summiert sich das Kursminus inzwischen auf mehr als 50 Prozent.

In dem Gerichtsstreit um die Gestaltung einer betrieblichen Krankenversicherung eines Krankenhauses in Ohio hatte sich der US Supreme Court auf die Seite des Krankenhauses und damit gegen Davita gestellt, wie am Vortag bekannt worden war. Der US-Dialyseanbieter hatte die Klinik verklagt, weil sie für Blutwäschebehandlungen bei Patienten mit Nierenerkrankungen im Endstadium die niedrigste Erstattungsrate zahlt. Das Urteil hatte am Markt die Sorge ausgelöst, dass der Fall Wellen schlagen und die Tür für ähnlich gestaltete private Krankenversicherungen anderer Unternehmen öffnen könnte.

Auch der FMC-Konzern, für den die USA der wichtigste Markt sind, behandelt dort neben den staatlichen versicherten Dialysepatienten auch Menschen in diversen privaten Vergütungsmodellen. Für dieses Jahr sieht FMC sich abgesichert, da die Verträge privater Krankenversicherungen von Arbeitgebern bereits zum 1. Januar oder 1. Juli starteten, wie es in der Mitteilung weiter hieß. Die Fresenius-Tochter rechnet aber auch in Zukunft nicht mit einem wesentlichen Einfluss des Urteils auf die eigenen Geschäftsaktivitäten. Der Konzern sieht den Ball nun im Feld des Gesetzgebers und hofft dort auf eine Lösung: Der US-Kongress muss nun über ein mögliches Gesetz entscheiden.

Auch nach Ansicht von Tom Jones von der Berenberg Bank hat das Urteil kurzfristig nur geringe Auswirkungen und dürfte für die Dialyseanbieter wenig ändern. Der Experte geht davon aus, dass nur wenige kleinere Versicherer sich aus den bisherigen Vergütungsmodellen verabschieden dürften. Große Anbieter wiederum würden dies voraussichtlich unterlassen, da ihre privaten Versicherungen womöglich unverkäuflich würden. Langfristig sieht er aber den US-Kongress in der Pflicht, Klarheit zu schaffen: Denn prinzipiell erlaubt nach Ansicht des Experten das Urteil allen Versicherern, die Deckung der Kosten für die Dialyse zu umgehen - was schlimmstenfalls die gesamte Dialysebranche ins Chaos stürzen würde.

David Adlington von der US-Bank JPMorgan hatte sich bereits in direkter Reaktion auf das Urteil um drohende deutliche Gewinneinbußen für Davita und FMC gesorgt - nun sieht er weiteres mögliches Ungemach: Er zeigte sich in einer am Mittwoch vorliegenden Studie von einem aktuellen Vergütungsentwurf der staatlichen Versicherungen enttäuscht, der eine Anhebung der Sätze um 2,4 Prozent im Jahr 2023 vorsehe. Da die meisten Kostenfaktoren bei FMC in Anbetracht der Inflation deutlich über dem vorgeschlagen Wert gestiegen seien, werde der Konzern hart arbeiten müssen, um den weiteren Druck auf die Gewinnspannen im Geschäftsjahr 2023 zu verhindern, urteilte Adlington.

FMC kämpft ohnehin aktuell mit großen Schwierigkeiten. Wegen der gestiegenen Kosten in der Pandemie und der hohen Übersterblichkeit von Dialyse-Patienten an Corona brachen dem Unternehmen 2021 die Gewinne weg. Für 2022 rechnet die Fresenius-Tochter mit einem Gewinnzuwachs, zu dem auch das bereits im vergangenen Jahr eingeläutete Spar- und Umbauprogramm beitragen soll. Neben einer organisatorischen Neuausrichtung sollen dazu auch 5000 Stellen weltweit wegfallen, etwa 500 bis 750 davon in Deutschland./tav/stk

Quelle: dpa-Afx