MÜNCHEN/BERLIN (dpa-AFX) - Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher müssen für Gas zum Heizen und Kochen demnächst tiefer in die Tasche greifen. Weitere Gasversorger wollen in Deutschland ihre Preise erhöhen. Seit August hätten mittlerweile 98 Gasgrundversorger ihre Preise erhöht oder Erhöhungen angekündigt, berichtete das Vergleichsportal Check24 am Dienstag in München. Vor gut sechs Wochen zählte das Portal erst 50. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten diesen Winter mit einer Welle an Gaspreiserhöhungen rechnen, sagte Steffen Suttner von Check24.
Im Durchschnitt lag der Anstieg bei 17,3 Prozent. Für einen Musterhaushalt mit einem Jahres-Verbrauch von 20 000 Kilowattstunden bedeute dies zusätzliche Kosten von durchschnittlich 263 Euro pro Jahr, berichtete das Portal. Betroffen seien bislang insgesamt rund 560 000 Haushalte. In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt rund 42,8 Millionen Wohnungen (2020). Knapp die Hälfte aller Wohnungen wird mit Gas beheizt. Als ein Hauptgrund für die aktuell steigenden Gaspreise gilt die weltweit gestiegene Energienachfrage infolge des Konjunkturaufschwungs nach der Corona-Krise.
Bei den 98 Preiserhöhungen gab es große Unterschiede. So stieg bei zwei Unternehmen der Preis in der Grundversorgung auf mehr als das Doppelte. Der höchste Anstieg lag bei 128,6 Prozent. Am anderen Ende stehen sechs Unternehmen, die die Preise um weniger als 5 Prozent anheben, zwei davon sogar nur um 1,4 Prozent. Nach Angaben der Bundesnetzagentur gibt es derzeit 683 Gasversorgungsunternehmen, die Haushaltskunden beliefern.
Als Hauptursache für die großen Unterschiede bei den aktuellen Preiserhöhungen sieht Fabian Huneke vom Beratungsunternehmen Energy Brainpool verschiedene Einkaufsstrategien der Gasversorger. "Diejenigen, die schon vor zwei oder drei Jahren begonnen haben, das Gas einzukaufen, müssen die hohen aktuellen Gaspreise nur zum Teil an ihre Kunden weitergeben", sagte er der dpa. Versorger, die Gas kurzfristig einkauften, hätten jetzt ein Problem: "Sie müssen einen großen Teil der Steigerungen weitergeben."
Laut Check24 zahlt ein Musterhaushalt mit einem angenommenen Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden bei den im Oktober gültigen Preisen im Schnitt 1532 Euro im Jahr für Gas, also knapp 7,7 Cent pro Kilowattstunde. Dies seien fast acht Prozent mehr als vor einem Jahr.
In der Vergangenheit lagen die Kosten fürs Heizen mit Gas oder Öl allerdings zeitweise noch höher. So bezahlte ein durchschnittlicher Haushalt mit einem Verbrauch von 20 000 Kilowattstunden Gas oder 2000 Litern Heizöl laut Check24 im August 2012 aufs Jahr gerechnet 1538 Euro. Erst zum Jahresbeginn 2015 waren die Preise dann wieder deutlich gesunken.
Laut dem Vergleichsportal Verivox hatten bereits zum Jahresbeginn 2021 mehr als 300 Grundversorger ihre Preise erhöht - allerdings nur um durchschnittlich 6,7 Prozent. "Wir rechnen mit vielen weiteren Preiserhöhungen in den kommenden Wochen", erklärte Verivox-Energieexperte Thorsten Storck. Bis Mitte November hätten Versorger Zeit, Preisänderungen zum kommenden Jahr bekannt zu geben.
Verbraucherschützer rieten, Post vom Gasversorger genau und bis zum Ende zu lesen. Mitunter werde die Erhöhung erst auf Seite drei des Anschreibens bekannt gegeben, warnte der Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Udo Sieverding. "Wenn man eine heftige Erhöhung bekommt, sollte man sich natürlich nach anderen Tarifen umschauen." Jedoch gebe es derzeit die "Supersondersituation, dass man kaum einen attraktiven Sondertarif angeboten bekommt, zu dem man hinwechseln kann".
Wer derzeit in den Vergleichsportalen kein besseres Angebot finde, sollte später erneut schauen, riet Sieverding. "Das kann in zwei Wochen schon besser aussehen." Andererseits müssten sich Verbraucher aber darauf einstellen, dass Gas teurer werde. "Da kommt man nicht drum rum." Möglichkeiten, die Kosten ein wenig zu senken, sieht Sieverding im Verbrauchsverhalten. "Aber die Frage der Temperatur in der Wohnung oder der Duschlänge ist bekanntlich umstritten."
Energieexperte Huneke sieht derzeit "leichte Entspannungssignale" auf den Gas-Beschaffungsmärkten. Als Grund gibt er zum einen Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin an. Dieser hatte vergangene Woche den Staatskonzern Gazprom
Quelle: dpa-Afx