BERLIN (dpa-AFX) - Bauministerin Klara Geywitz hat einen klaren Auftrag: 400 000 neue Wohnungen sollen jedes Jahr in Deutschland entstehen. Doch die SPD-Politikerin weiß, dass sie das alleine nicht schafft. Geld ist zwar da, allein für den sozialen Wohnungsbau hat Finanzminister Christian Lindner 14,5 Milliarden Euro lockergemacht. Doch damit diese Milliarden auch verbaut werden, braucht Geywitz Verbündete. Deshalb holt sie Bundesländer, kommunale Spitzenverbände, Baubranche und Interessenvertreter vom Deutschen Naturschutzring bis zum Eigentümerverband Haus und Grund am Mittwoch an einen Tisch.
"Es geht darum, dass wir ein dickes Brett durchschlagen: Wir haben in Deutschland einen ganz großen Bedarf an Wohnungen, vor allem bezahlbarem Wohnraum", sagte Geywitz vor dem Treffen der Deutschen Presse-Agentur. Hier müssten nicht nur Kommunen, Länder und Bund zusammenarbeiten. "Wir brauchen auch die Unterstützung der Bauwirtschaft, die ihre Kapazitäten deutlich ausweiten muss, aber durch steigende Baukosten und Materialengpässe unter Druck steht."
Im "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" sollen sich die unterschiedlichen Akteure dem gemeinsamen Ziel verschreiben - aber auch etwa Entwürfe für öffentliche Fördergelder erarbeiten. Welche Bedingungen beim Klimaschutz müssen Neubauten und Umbauten erfüllen, um staatlich gefördert zu werden? Und wie schafft man es, dass all die genehmigten Wohnungen auch wirklich zeitnah gebaut werden? Derzeit sind laut Geywitz fast 800 000 Wohnungen bewilligt, aber noch nicht gebaut. Mitunter machten es Hemmnisse bei der Planung schwierig, im Bestand zu verdichten, sagte die Ministerin. Zum Beispiel die Frage, ob man heute in der Stadt noch so viele Auto-Stellplätze vorsehen muss wie früher. "Ich finde, nein."
Im Entwurf der Abschlusserklärung, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wird skizziert, dass neue Wohnungen vor allem in den Ballungsräumen geschaffen werden sollen - aber nicht unbedingt durch Neubauten oder neue Baugebiete. Stattdessen sollen Baulücken gefüllt, Häuser aufgestockt und Gewerbebauten in Wohnungen verwandelt werden. Insgesamt sollen Deutschlands Städte dichter werden.
Die Verbände der Wohnungs- und Bauindustrie wollen mitziehen - warnen aber bereits, dass die Sache unter anderem wegen des russischen Kriegs in der Ukraine nicht so einfach wird. Materialengpässe, Preissteigerungen und deutlich steigende Energiepreise gehörten inzwischen genauso zum Alltag auf deutschen Baustellen wie drohende Baustopps. "Eine Priorisierung, eine Triage auf dem Bau quasi, von Projekten hat bereits begonnen", heißt es beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie.
"Wir gehen deshalb davon aus, dass es zu einem Rückgang beim Wohnungsneubau und in letzter Konsequenz auch bei der Baukonjunktur insgesamt kommen kann", sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller der Deutschen Presse-Agentur. Das Ziel der Bundesregierung von jährlich 400 000 neuen Wohnungen stehe damit zumindest in Frage. Das alles berücksichtige Geywitz bislang viel zu wenig in ihrer Planung.
Der Wohnungsbauexperte der Union, Jan-Marco Luczak, kritisierte fehlende Lösungsvorschläge des Bündnisses. "Ohnehin breit akzeptierte Ziele zu formulieren, ist aber noch keine Politik", betonte er. "Die Bauministerin droht sich bereits auf den ersten Metern in Ideologie und theoretischen Debatten zu verheddern. Damit verlieren wir wertvolle Zeit, bis tatsächlich etwas auf den Baustellen ankommt." Caren Lay von der Linksfraktion dagegen bemängelte, teure Luxus- und Eigentumswohnungen lösten das Problem des bezahlbaren Wohnraums nicht. Sie schlug stattdessen vor, in Innenstädten mit angespanntem Wohnungsmarkt sollten von nun an nur noch Sozialwohnungen gebaut werden./tam/DP/mis
Quelle: dpa-Afx