KARLSRUHE (dpa-AFX) - Kaffeebecher, Pizzakartons, Plastikbesteck: Wer in Tübingen Speisen und Getränke verkauft, muss auf nicht wiederverwendbare Verpackungen und andere Artikel eine Verpackungssteuer zahlen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden: Die umstrittene Abgabe ist verfassungsgemäß. Damit herrscht nun Rechtssicherheit - auch für andere Städte und Gemeinden.

Konkret entschied der Erste Senat über die Verfassungsbeschwerde einer Betreiberin eines Schnellrestaurants in Tübingen. Eine Franchise-Nehmerin von McDonalds hatte nach Angaben des Fast-Food-Konzerns Beschwerde gegen die Steuer erhoben. Damit wendete sie sich auch gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das im Mai 2023 bereits die Rechtmäßigkeit der Tübinger Verpackungssteuer bestätigt hatte.

Die Karlsruher Richterinnen und Richter wiesen die Verfassungsbeschwerde der Betreiberin nun zurück. Zwar greife die Erhebung der Verpackungssteuer in die im Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Verkäufer ein, so der Senat. Dieser Eingriff sei jedoch verfassungsgemäß. Die Stadt Tübingen könne sich auf die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder berufen. Bei der Verpackungssteuer handele es sich um eine "örtliche" Verbrauchssteuer.

Tübingen als Vorreiter - folgen andere?

Die Verpackungssteuer gilt in Tübingen seit dem 1. Januar 2022. Sie wird auf Einwegverpackungen, -geschirr und -besteck beim Verkauf von Speisen und Getränken zum Mitnehmen oder für den sofortigen Verzehr erhoben. Dabei ist egal, aus welchem Material die Artikel sind. Der Steuerbetrag beträgt 50 Cent für Einwegverpackungen wie Kaffeebecher, 50 Cent für Einweggeschirr wie Pommesschalen und 20 Cent für Einwegbesteck und zum Beispiel Strohhalme.

Tübingen ist mit einer solchen Steuer Vorreiter. In der Universitätsstadt zeige sie bereits die beabsichtigte Wirkung, erklärte Oberbürgermeister Boris Palmer. Die Abgabe bringe Mehrweg-Lösungen voran und dränge die Müllflut im Stadtbild ganz wesentlich zurück. "Wir wissen von vielen Städten, dass sie nur auf das Urteil gewartet haben, um ebenfalls eine Verpackungssteuer nach dem erfolgreichen Tübinger Vorbild auf den Weg zu bringen", so Palmer. "Dafür ist jetzt der Weg frei."

Forderung nach bundesweiter Lösung

Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte die Rechtssicherheit, die der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts anderen Städten und Gemeinden biete und forderte diese auf, dem Tübinger Modell zu folgen. Jede weitere kommunale Verpackungssteuer erhöhe den Druck auf die künftige Bundesregierung, eine bundesweite Einweg-Abgabe auf To-go-Verpackungen einzuführen, sagte Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz.

Der Deutsche Städtetag rechnet damit, dass jetzt mehr Städte eine lokale Verpackungssteuer einführen werden. "Der Aufwand der Städte für die großen Mengen an achtlos weggeworfene Einwegverpackungen wird mehr und mehr", so Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Mit den Einnahmen könnten diese hohen Reinigungskosten abgefedert werden. Der Städtetag wolle bei der nächsten Bundesregierung um eine bundesweite Regelung werben.

Angst vor rechtlichem Flickenteppich

Für eine bundesrechtliche Lösung sprach sich auch der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) aus - "denn die Kommunen werden wohl in höchst unterschiedlicher Weise vom Instrument der kommunalen Verpackungssteuer Gebrauch machen, womit ein unübersichtlicher Flickenteppich droht".

Vor einem Flickenteppich an individuellen Verpackungssteuern warnt auch der Handelsverband Deutschland. Für Unternehmen bestehe die Gefahr einer unübersichtlichen Flut von unterschiedlichen Regelungen, die einen erheblichen bürokratischen Aufwand bedeuten würden. Der Bundesverband der Systemgastronomie sprach ebenfalls von einer finanziellen Belastung seiner Mitglieder durch zunehmenden bürokratischen und technischen Aufwand./jml/DP/mis

Quelle: dpa-Afx