BERLIN (dpa-AFX) - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verstärkt die Vorbereitungen für den Fall einer schweren Energiekrise in Deutschland. Eine geplante Novelle des Energiesicherungsgesetzes sieht vor, dass im Krisenfall Unternehmen, die kritische Energie-Infrastruktur betreiben, unter treuhänderische Verwaltung gestellt werden können. Im Extremfall ist auch eine Enteignung möglich. Das sah das Gesetz zwar bereits vor, die Möglichkeit soll aber nun klarer gefasst werden. Die Novelle ging am Dienstag in die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung.
Aus Kreisen des Ministeriums erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, es gehe darum, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die schnelle Handlungsfähigkeit im Krisenfall sicherzustellen. Daher plane das Ministerium eine Novelle des aus dem Jahr 1975 stammenden Energiesicherungsgesetzes. Das Gesetz war damals eine Reaktion auf die Ölkrise und soll nun an die aktuelle Krise angepasst werden.
Es ermächtigt die Regierung, im Falle einer unmittelbaren Gefährdung oder Störung der Energieversorgung im Wege von Rechtsverordnungen notwendige Maßnahmen zu ergreifen - um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie sicherzustellen.
Neu ist, dass Unternehmen, die kritische Energie-Infrastrukturen betreiben - also etwa zur Gas- und Stromversorgung - bei Bedarf unter eine Treuhandverwaltung gestellt werden können sollen. Voraussetzung soll sein, dass sie ihren Aufgaben nicht mehr hinreichend nachkommen und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht.
Das Wirtschaftsministerium hatte vor kurzem die Bundesnetzagentur als Treuhänderin für die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom
Habeck hatte die Einsetzung der Bundesregierung als Treuhänderin bei Gazprom Germania mit unklaren Rechtsverhältnissen und einem Verstoß gegen Meldevorschriften begründet. Im Energiesicherungsgesetz soll nun eine neue Rechtsgrundlage für die Treuhandverwaltung geschaffen werden, die von den besonderen Voraussetzungen des Außenwirtschaftsrechts unabhängig ist.
Als "ultima ratio" ist in der Novelle des Energiesicherungsgesetzes unter klar benannten und engen Bedingungen auch eine Enteignung von Unternehmensanteilen vorgesehen - wenn die Sicherung der Energieversorgung im Bereich der kritischen Infrastruktur nicht anders möglich ist.
Als problematisch wird im Wirtschaftsministerium vor allem gesehen, dass die Raffinerie in Schwedt (Brandenburg) fast vollständig vom russischen Staatskonzern Rosneft übernommen werden soll. Das Ministerium prüft dies derzeit. Habeck hatte gesagt, es werde unter Hochdruck daran gearbeitet, die Abhängigkeit von "russischer Beeinflussung der Infrastruktur" zu überwinden.
Die Bundesregierung soll zudem zur Umsetzung von Krisenmaßnahmen eine digitale Plattform errichten und einsetzen können, dafür soll die Gassicherungsverordnung geändert werden. Auf dieser sollen sich für den Sektor Gas größere Industriebetriebe und Gashändler registrieren und verschiedene Daten hinterlegen. Mit diesen Daten könnten im Krisenfall Reduktionspotenziale identifiziert und Abschaltungen digital umgesetzt werden.
Das Bundeswirtschaftsministerium hatte Ende März die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Damit soll die Vorsorge für einen möglichen russischen Lieferstopp gestärkt werden - falls Präsident Wladimir Putin einen solchen verhängt. In einer Alarmstufe wären private Haushalte besonders geschützt, dagegen könnten Industriebetriebe abgeschaltet werden.
Zwar hat sich die EU auf einen Importstopp für russische Kohle geeinigt, mit einer Übergangsfrist von vier Monaten. Die Bundesregierung ist aber weiter dagegen, dass der Westen russische Gas- und Öllieferungen stoppt. Bei der Kohle ist Deutschland am weitesten dabei vorangekommen, weniger abhängig von Russland zu werden. Vor allem im Fall eines Gasembargos hat die Bundesregierung vor schweren Schäden für die Wirtschaft gewarnt.
Im aktuellen Lagebericht der Bundesnetzagentur von Dienstag hieß es, die Gasversorgung in Deutschland sei stabil, die Gaslieferungen seien nicht beeinträchtigt.
Das Energiesicherungsgesetz ermöglicht auch bisher schon, dass die Bundesregierung im Krisenfall Maßnahmen zum Energiesparen verordnen kann. Rein theoretisch könnte sie autofreie Sonntage sowie ein befristetes generelles Tempolimit verordnen. Vor allem die FDP ist aber gegen ein Tempolimit auf Autobahnen./hoe/DP/men
Quelle: dpa-Afx