LIPPSTADT/NANTERRE (dpa-AFX) - Der französische Automobilzulieferer Faurecia will seinen Konkurrenten Hella
"Ich bin davon überzeugt, dass Faurecia und Hella ausgezeichnet zusammenpassen", sagte Faurecia-Chef Patrick Koller am Montag in einer Telefonkonferenz. "Gemeinsam werden wir einen entscheidenden Vorsprung haben, wenn es darum geht, von den strategischen Treibern der Transformation der Automobilindustrie zu profitieren."
Faurecia übernimmt dazu von den Familiengesellschaftern Hueck und Röpke deren 60-prozentigen Anteil an Hella, wie beide Unternehmen am Wochenende mitteilten. 3,4 Milliarden Euro erhalten die Familien in bar, den Rest in Faurecia-Anteilen. Der Preis liegt dabei bei 60 Euro je Hella-Aktie.
Den übrigen Aktionären will Faurecia Ende September ein Angebot ebenfalls über 60 Euro zuzüglich Dividende machen. Der Abschluss der Übernahme wird für Anfang 2022 erwartet. Finanzieren wollen die Franzosen den Kauf mit einer Mischung aus Krediten, Anleihen sowie einer Kapitalerhöhung.
Dabei lässt Faurecia-Chef Koller offen, ob Hella im Anschluss von der Börse genommen wird. Wenn das Unternehmen die dafür notwendigen Anteile zusammenbekomme, werde man das tun, sagte er in einer Telefonkonferenz. Wenn nicht, könne Faurecia damit umgehen. So könne Faurecia seine Synergieziele auch umsetzen, ohne Hella von der Börse zu nehmen. Auch einen Beherrschungsvertrag streben die Franzosen ihm zufolge zunächst nicht an.
Den Angaben zufolge soll Hella eine wichtige Rolle im zusammengeführten Unternehmen spielen. "Lippstadt wird der weltweite Hauptsitz für drei von sechs Geschäftsbereichen", hieß es in der Mitteilung. "Die Kompetenzen beider Unternehmen ergänzen sich hervorragend. Wir haben langjährige Zusagen für die Standorte und Investitionen in die Zukunftsfelder sichergestellt", erläuterte Jürgen Behrend, der Leiter des Pools der Familiengesellschafter. An den bestehenden Betriebsrats- und Tarifverträgen soll festgehalten werden. Hella beschäftigte zuletzt knapp 36 000 Mitarbeiter.
Das kombinierte Unternehmen kommt 2021 auf einen Pro-forma-Umsatz von etwa 23 Milliarden Euro. Für die kommenden Jahre erwartet der Faurecia-Chef ein starkes Wachstum - bis 2025 soll der Umsatz mehr als 33 Milliarden Euro erreichen. Auch die Profitabilität soll deutlich zunehmen. Dabei rechnet das Management mit ergebniswirksamen Einsparungen von über 200 Millionen Euro jährlich, davon sollen 80 Prozent bis 2024 erreicht werden.
Die Hella-Eigentümerfamilien, die seit dem Jahr 1923 die Mehrheit an dem 1899 gegründeten Unternehmens besitzen, werden nach der Transaktion noch neun Prozent der Faurecia-Anteile halten. "Diese Beteiligung unterliegt einer Sperrfrist von 18 Monaten", hieß es. Ein Vertreter der Familie werde Mitglied des Verwaltungsrats von Faurecia.
Der Verkauf des 60-prozentigen Pakets der weit verzweigten Gründerfamilie war notwendig, da der beim Börsengang im Jahr 2014 abgeschlossene Vertrag über ein gemeinsames Handeln bald ausgelaufen wäre. Danach wäre es schwieriger geworden, die Interessen der Eigentümer zu bündeln.
"Wir nehmen als Familiengesellschafter unsere unternehmerische Verantwortung für Hella wahr, indem wir frühzeitig vor Auslaufen unseres Familienpoolvertrags das Unternehmen Hella in neue Hände geben", sagte Behrend. "Hella hat damit die idealen Voraussetzungen, weiterhin langfristig erfolgreich zu sein." Der 72-Jährige war bis 2017 auch Konzernchef.
Die im MDax
Es gebe keine Mindestannahmeschwelle für die Offerte an die anderen Aktionäre, schrieb Warburg-Experte Marc-Rene Tonn. Faurecia dürfte seiner Auffassung nach aber zumindest einen Anteil von 75 Prozent anstreben. Die Übernahme an sich überzeuge, schrieb Experte Romain Gourvial von Berenberg. Das gemeinsame Produktangebot der Unternehmen verbessere sich deutlich. Die Expertise von Hella mit Blick auf Elektromobilität ergänze das Wasserstoff-Know-how von Faurecia. Die Aktie der Franzosen legte in Paris um fast 10 Prozent zu.
Die Hella-Aktie war nach einem Bericht des "Manager Magazins" über die Verkaufspläne der Familie von rund 45 Euro im April bis auf das Rekordhoch von fast 69 Euro Anfang August gestiegen. Zu dieser Zeit hatten Berichte über eine Offerte in dieser Höhe die Runde gemacht. Auch der deutsche Zulieferer Mahle soll laut Medienberichten unter den Bietern gewesen sein. In den Tagen danach machte sich allerdings wieder etwas Ernüchterung breit, so dass der Kurs wieder auf 63 Euro absackte./nas/stw/jha/
Quelle: dpa-Afx