HAMBURG (dpa-AFX) - Seit Frühjahr ringt die IG Metall mit Airbus
Der Flugzeugbauer zeigt sich schockiert: In einem der dpa vorliegenden Schreiben an die Belegschaften nennt Konzernchef Guillaume Faury das Vorgehen der IG Metall "unangemessen und respektlos". Das Unternehmen habe in dem Konflikt bereits "viele Garantien in Bezug auf Sicherheit, Arbeitsbedingungen und Investitionen in die Zukunft gegeben", so dass es "bis dato keinen gravierenden Grund" für die erneuten Warnstreiks gebe.
Hintergrund des Streits ist der im April veröffentlichte Plan, die Teilefertigung bei der Tochter Premium Aerotec in Augsburg, im friesischen Varel und in Rumänien an einen Investor verkaufen. Andernfalls drohten harte Restrukturierungsmaßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf die Beschäftigung. Zudem will Airbus die Montage von Flugzeugrümpfen und -strukturen in einem neuen Tochterunternehmen zusammenfassen. Betroffen wären die Airbus-Werke Stade, Teile des Standorts Hamburg sowie die Airbus-Tochter Premium Aerotec mit drei der vier Augsburger Werke und den Standorten Bremen und Nordenham.
Insgesamt dürften von den Plänen bei Airbus Operations und Premium Aerotec etwa 13 000 Beschäftigte betroffen sein. Die IG Metall will eine Aufspaltung verhindern. Mit den Betriebsräten fordert sie Beschäftigungsgarantien an den Standorten bis ins kommende Jahrzehnt.
Für Airbus kommt die Eskalation zur Unzeit, denn der Flugzeugbauer ist kurz vor Jahresende bei den für 2021 geplanten 600 Auslieferungen im Rückstand. Nach unbestätigten Informationen aus Branchenkreisen dürften bislang rund 500 Flugzeuge an Kunden geliefert worden sein. "Wir müssen die Ärmel hochkrempeln, das wird eine Jahresendrally, da brauchen wir jeden Mann an Deck", heißt es aus dem Unternehmen.
Diese Zwickmühle dürfte der Grund sein, warum Faury eindringlich versucht, der Belegschaft seine Sicht auf die Folgen der Warnstreiks nahezulegen: In den vergangenen 20 Monaten hätten Airbus-Beschäftigte "ein unglaubliches Engagement und eine bemerkenswerte Solidarität an den Tag gelegt, um Airbus in der Corona-Pandemie durch eine beispiellose Krise zu tragen", heißt es in dem Schreiben. Diese "enorme Gemeinschaftsleistung" werde nun in Frage gestellt.
Vor allem bei den Kassenschlagern der A320-Familie sind die Auftragsbücher prall gefüllt. Airbus hatte aber in der Corona-Pandemie die Fertigung auf ein Niveau von rund 40 Flugzeugen monatlich heruntergefahren und steckt nun mitten im Hochlauf. Bis 2023 soll mit monatlich 65 Flugzeugen wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht werden. "Der Hochlauf ist gefährdet", sagt Friedrich - wobei sich Gewerkschaft und Konzern gegenseitig die Verantwortung zuweisen.
"Die letzte Verhandlung hat gezeigt, dass Airbus die Eskalation sucht", sagte Friedrich. Die Geschäftsführung habe Vereinbarungen zum weiteren Vorgehen zurückgenommen und sei nicht bereit, ein faires Zukunftspaket für alle Beschäftigten und Standorte abzuschließen. Der Gewerkschafter sieht in dem Konflikt eine Abkehr von einer jahrzehntelangen Unternehmenskultur, in der auch schwierige Veränderungen gemeinsam entwickelt worden seien. Er sprach von einer Mentalität auf Managementseite, die heiße: "Wir wissen, was richtig ist, ihr habt zu akzeptieren. Wir entscheiden, ihr habt auszuführen."
Bei vielen Beschäftigten sei daher nun der "Geduldsfaden gerissen", berichtete Friedrich. Der Konzernbetriebsratsvorsitzende Holger Junge ergänzte, bei den Beschäftigten herrsche seit langem ein Klima der Zukunftsangst. "Wir brauchen nicht durch die Hallen zu gehen und zu sagen "Wir wollen streiken", das machen die von alleine." Geplant nun sind von Donnerstag bis hin zum Sonntag "Arbeitsniederlegungen teilweise über mehrere Schichten und Tage".
Airbus hat bislang nach eigener Aussage in den zurückliegenden fünf Verhandlungsrunden zugesagt, bis 2025 in der deutschen Sektionsmontage nahezu zwei Milliarden Euro zu investieren und eine Mindestauslastung ebenfalls bis 2025 zu garantieren sowie bis dahin betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen. Zudem seien "umfassende Garantien" zu Standorten und Beschäftigungsbedingungen" gegeben worden. Schließlich wolle Airbus die Entscheidung für einen potenziellen Investor in Abstimmung mit IG Metall und Betriebsräten an strenge Kriterien knüpfen und sich "für den Erhalt der sozialen Standards von Airbus auch im neuen Unternehmen" einsetzen.
Der Gewerkschaft gehen die Zusagen indes nicht weit genug. Zum einen verlangt sie eine Perspektive über das Jahr 2030 hinaus. Mitte der zwanziger Jahre steht bei Airbus die Entscheidung über eine neue Flugzeuggeneration als Nachfolge der überaus erfolgreichen A320-Familie an. Zudem bezweifelt die IG Metall, dass für die Teilefertigung überhaupt ein geeigneter Investor bereit steht und verlangt, parallel auch einen Verbleib im Airbus-Konzern zu prüfen. Beides lehne das Management aber ab, kritisierte Friedrich./kf/DP/eas
Quelle: dpa-Afx