WIESBADEN (dpa-AFX) - Häuser und Wohnungen in Deutschland sind in der Corona-Krise noch deutlich teurer geworden als zunächst angenommen - sowohl in Städten als auch auf dem Land. Durchschnittlich lagen die Preise für Wohnimmobilien im zweiten Quartal um 6,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Im Vergleich zum Vorquartal stiegen die Preise für Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser demnach um 2 Prozent.
Damit zeigt sich, dass die Corona-Krise dem Immobilienboom hierzulande bisher nichts anhaben konnte - trotz einbrechender Wirtschaft, steigender Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit im Rekordausmaß. Manche Ökonomen hatten zumindest mit einer Preisdelle gerechnet, da die Pandemie der deutschen Wirtschaft einen historischen Einbruch bescherte und die Einkommen vieler Menschen belastet. Auch war der Wohnungsmarkt im Lockdown eingefroren: Die Zahl der Wohnungsanzeigen brach zeitweise um bis zu 40 Prozent ein.
Die Preisaufschläge im zweiten Quartal fallen nun sogar höher aus als in einer ersten Schätzung vor vier Wochen veranschlagt. Damals waren die Wiesbadener Statistiker von 5,6 Prozent Plus zum Vorjahresquartal und 1,4 Prozent Steigerung zum Vorquartal ausgegangen. Zu Jahresbeginn, als die Pandemie noch nicht in Deutschland wütete, waren die Immobilienpreise ähnlich stark gewachsen wie nun berechnet.
Die Opposition sieht in den Zahlen einen Beleg für eine verfehlte Wohnungspolitik der Bundesregierung. "Günstiger Wohnungsbau ist kaum noch möglich, hohe Bodenpreise tragen gerade in wachsenden Regionen und großen Städten zu steigenden Kosten für den Wohnungsbau und -kauf bei", monierte Chris Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der Grünen im Bundestag. Er forderte eine "neue und aktive Bodenpolitik" für bezahlbaren Wohnraum. Mit einem gemeinnützigen Bundesbodenfonds müsse der Bund Kommunen in die Lage versetzen, öffentliche Räume und die Nutzung von Boden im Sinne des Gemeinwohls zu stärken.
Nach der neuesten Berechnung der Statistiker waren von April bis einschließlich Juni in den sieben größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf) Ein- und Zweifamilienhäuser 6,5 Prozent und Eigentumswohnungen 6,1 Prozent teurer als im Vorjahresquartal. Damit setzte sich der Boom in den Metropolen zwar fort, wenngleich mit abnehmender Dynamik bei Wohnungen. Hier waren die Preisaufschläge in den Vorjahresquartalen noch höher gewesen. In den anderen Großstädten ab 100 000 Einwohner stiegen die Häuserpreise im zweiten Quartal um 7,3 Prozent, jene für Eigentumswohnungen kletterten gar um 8,2 Prozent zum Vorquartal.
Auch auf dem Land verteuerte sich Wohneigentum: Häuser um mindestens 4,8 Prozent, Wohnungen um mindestens 5,9 Prozent. Die Nachfrage nach Wohnraum ist vor allem in Ballungsräumen groß. Weil dort die Preise in der Regel höher sind als auf dem Land, weichen Kaufinteressenten auch auf ländliche Regionen aus.
Auch für das laufende Jahr sahen Forscher zuletzt kein Ende des Immobilienbooms. Ein großer Teil der Treiber bleibe trotz der Corona-Krise intakt, hieß es jüngst in einer Prognose des Hamburger GEWOS Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. "Hierzu zählen die demografisch bedingt hohe Wohnungsnachfrage, der Mangel an Bauland und Objekten sowie das niedrige Zinsniveau gepaart mit einem Mangel an Anlagealternativen in unsicheren Zeiten."
Konkret prognostiziert GEWOS ein weiteres Rekordjahr am gesamten Immobilienmarkt mit einem Umsatz von gut 290 Milliarden Euro - getrieben von der starken Nachfrage nach Wohnungen und Häusern. "Wohnen ist ein Grundbedürfnis und speziell die Nachfrage nach selbstgenutztem Wohneigentum weiter hoch" sagte GEWOS-Experte Sebastian Wunsch. Das belegten Daten zur Preisentwicklung vom Angebotsmarkt und von Gutachterausschüssen zu realen Kaufpreisen. Auch gebe es nach der Flaute im Frühjahr Nachholeffekte bei Käufen.
Allerdings schließen die Ökonomen nicht aus, dass sich die Corona-Pandemie zeitverzögert auf dem Immobilienmarkt niederschlägt - etwa, wenn sich die Lohnentwicklung dauerhaft eintrübt. Fraglich sei auch, ob sich mit der Pandemie und dem Lockdown veränderte Wohnwünsche dauerhaft etablierten - etwa nach mehr Fläche, mehr Interesse an selbstgenutztem Wohneigentum, Wohnen im Grünen oder ein höherer Stellenwert für Balkone oder Garten./ben/als/DP/zb
Quelle: dpa-Afx