NEUBIBERG (dpa-AFX) - Der Chiphersteller Infineon fährt seine Produktionskapazitäten in Austin (US-Bundesstaat Texas) wieder hoch. Ab Juni sollen die ursprünglichen Mengen wieder erreicht werden, teilte das Dax -Unternehmen am Freitagabend nach Börsenschluss in Neubiberg bei München mit. Infineon hatte die Anlage wegen eines schweren Wintersturms und den daraus resultierenden Stromausfällen in der Region Mitte Februar abschalten müssen.

Am Kapitalmarkt wurden die Nachrichten positiv aufgenommen. Die Infineon-Aktie, die seit diesem Montag in den Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 aufgestiegen ist und dort den finnischen Netzwerkausrüster Nokia ersetzt, lag kurz nach Handelsbeginn an der Frankfurter Börse 2,2 Prozent im Plus in einem schwächeren Gesamtmarkt. Im laufenden Jahr haben die Papiere damit knapp 9 Prozent an Wert hinzugewonnen.

Nach der am 15. Februar behördlich angeordneten Abschaltung sei die Infrastruktur innerhalb von einer Woche wiederhergestellt worden, die Anlagen seien intakt, hieß es. Die Produktion werde derzeit schrittweise auf das ursprüngliche Niveau hochgefahren, teilte Infineon weiter mit. "Nach derzeitigen Erkenntnissen gehen wir davon aus, dass wir aufgrund des Ereignisses den Bedarf unserer Kunden nicht vollumfänglich bedienen können", sagte Vorstand Jochen Hanebeck.

Dazu stehe das Unternehmen mit den betroffenen Kunden in engem Austausch. Wegen des angespannten Marktumfelds und der daraus resultierenden vollen Auslastung werde es nicht möglich sein, die ausgefallene Produktionsmenge wieder auszugleichen. Für die meisten Produktkategorien, die Infineon in Austin fertigt, geht der Konzern ab Juni von der ursprünglichen Fertigungskapazität aus.

Der ohnehin herrschende weltweite Mangel an Mikrocontrollern und Halbleitern für die Leistungselektronik war durch die Kälte in Texas verschärft worden. Die ungewöhnlich tiefen Temperaturen im Süden der USA sorgten für großflächige Stromausfälle und behinderten die dort angesiedelte Chip-Produktion. Neben Infineon sind auch Samsung und NXP in der Region der texanischen Stadt Austin aktiv.

Mikroprozessoren sind derzeit knapp, insbesondere bei den Autoherstellern und in der Unterhaltungsindustrie. Der fehlende Nachschub belastet vor allem die Autoindustrie zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Sie steckt mitten im Wandel hin zur Elektromobilität und hat in der Corona-Krise deutliche Umsatzverluste hinnehmen müssen. Dadurch gingen auch wichtige Produktionskapazitäten im Halbleitersektor an die konkurrierenden Branchen verloren. Und jetzt, wo die Nachfrage nach Autos wieder anzieht, fehlen die Chips. Mit der Autoindustrie macht Infineon den Löwenanteil seines Geschäfts.

"Viele Kunden unterschätzen die Komplexität der Fertigung", hatte Infineon-Chef Ploss bereits Anfang Februar gesagt. So dauere etwa die Produktion bei Microcontrollern, die derzeit besonders von Engpässen betroffen sind, bis zu einem halben Jahr, erläuterte er. Infineon geht dabei nicht von einer schnellen Beseitigung der Lieferprobleme aus, sondern von einer Normalisierung zum Jahresende.

In Austin fertigt und testet Infineon Produkte, die in zahlreichen Anwendungen eingesetzt werden. Wegen der zwischenzeitlichen Abschaltung rechnet das Unternehmen mit Umsatzeinbußen. Diese dürften insbesondere im dritten Quartal (bis 30. Juni) anfallen und einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag ausmachen. An der Umsatzerwartung für das gesamte Geschäftsjahr hält Infineon jedoch wegen der hohen Nachfrage nach Mikroelektronik fest. Ein Update zu Austin will der Konzern bei seiner Quartalsberichterstattung am 4. Mai geben. Dann werden Zahlen für das bis Ende März laufende zweite Quartal veröffentlicht.

Aus Sicht von Analyst Mark Li vom Analysehaus Bernstein könnte die insgesamt starke Halbleiter-Nachfrage Infineon helfen, die Umsatzverluste auszugleichen. Daher seien keine negativen Auswirkungen auf die Umsatzerwartungen für das Gesamtjahr zu erwarten. Achal Sultania von der Credit Suisse geht angesichts der beschleunigten Durchsetzung von E-Mobilität derweil sogar davon aus, dass der Halbleiterkonzern seine mittelfristigen Ziele übertreffen kann. Auch im SiC-Bereich (Siliziumkarbid) nähmen die Bayern Fahrt auf. Sultania liegt mit seinen bis 2023 erhöhten Ergebnisschätzungen nun um bis zu 16 Prozent über dem Marktkonsens.

Nach einem guten Jahresauftakt hatte Infineon die Prognose für das laufende Geschäftsjahr leicht erhöht. Der Konzern profitierte im ersten Jahresviertel nicht nur von einem verbesserten wirtschaftlichen Umfeld, sondern auch von einem Digitalisierungs-Schub. Daher sollen die Fertigungskapazitäten erhöht und der Start der neuen Halbleiterfabrik im österreichischen Villach vorgezogen werden, hatte Ploss im Februar angekündigt./eas/mne/jha/

Quelle: dpa-Afx