BRÜSSEL/FRANKFURT/ROM (dpa-AFX) - Die Lufthansa
In einem ersten Schritt bekommt der MDax
Langes Tauziehen
Die Verhandlungen und Prüfungen um den Einstieg des umsatzstärksten Luftverkehrskonzerns Europas bei der bisherigen italienischen Konkurrenz ziehen sich schon seit mehr als einem Jahr hin. Die Italia Trasporto Aereo (ITA) ging 2020 aus der staatlichen Fluglinie Alitalia hervor, die immer wieder in schwere Turbulenzen geraten war. Zurzeit hat das Unternehmen noch etwa 4.500 Beschäftigte. Zum Vergleich: Der Lufthansa-Konzern zählt aktuell fast 99.000 Beschäftigte und hat in der Vergangenheit mit Swiss, Austrian und Brussels Airways bereits drei frühere Staatsairlines integriert. Die Marken wie auch die Drehkreuze in den Heimatländern Schweiz, Österreich und Belgien blieben erhalten. Die Ita ist nicht offizielle Rechtsnachfolgerin der Alitalia, hat sich aber die Rechte an dem legendären Namen gesichert, der laut Konzernkreisen bald wieder belebt werden könnte.
Zugang zum italienischen Markt
Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte sich zuletzt optimistisch gezeigt, zügig die Genehmigung aus Brüssel zu bekommen. Die Lufthansa verschafft sich mit der Übernahme Zugang zum italienischen Markt, der vor allem wegen der engen Beziehungen in die USA sehr lukrativ ist. Dass mit der Ita eine weitere Airline der von Air France dominierten Allianz "Sky Team" gebrochen wird, ist ein erwünschtes Nebenergebnis.
Ita kann allein nicht überleben
Nach Meinung vieler Experten könnte Ita allein nicht überleben. Im Heimatmarkt wurde sie von Billigfliegern wie Ryanair
Gerade an diesem Punkt hatten die EU-Wettbewerbshüter Bedenken angemeldet, weil Lufthansa über dem Nordatlantik in einem Joint Venture auch Absprachen mit United und Air Canada trifft. Auf dem lukrativsten Luftverkehrsmarkt der Welt sind aber auch sämtliche anderen US-Carrier sowie die europäischen Lufthansa-Konkurrenten IAG um British Airways und Air France-KLM
Zudem hatten die EU-Beamten Bedenken, dass sich bei der Lufthansa auch auf Kurzstrecken zwischen Italien und mitteleuropäischen Ländern zu viel Marktmacht konzentrieren könnte. Konkurrenz gebe es zwar - in erster Linie durch Gesellschaften wie Ryanair - solche Billigfluggesellschaften starteten aber oft von abgelegenen Flughäfen. Lufthansa ist auch seit Jahren mit der eigenen Regionalgesellschaft Air Dolomiti in Norditalien aktiv.
Höhere Ticketpreise befürchtet
Die EU-Kommission befürchtete vor allem Nachteile für Verbraucher. Denn wenn es nur wenig Konkurrenz auf Strecken gibt und sich viel Marktmacht bei einem Anbieter konzentriert, kann dieser theoretisch Preise über dem marktüblichen Niveau verlangen. Kundinnen und Kunden können dann nicht oder nur eingeschränkt auf günstigere Wettbewerber umsteigen. Auch deswegen gibt es in der EU strenge Wettbewerbsregeln.
Italiens Rechts-Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mutmaßte zwischenzeitlich, dass andere Konkurrenten die Übernahme in Brüssel ausbremsen wollten. Aus Rom gab es auch offene Vorwürfe in Richtung Frankreich und Air France.
Sparrunden bei Flotte und Personal bereits überstanden
Ähnlich wie bei der 2007 übernommenen Swiss handelt es sich bei der Ita um ein saniertes Unternehmen, das schmerzhafte Sparrunden bei Flotte und Personal hinter sich hat. Mit dem gemeinsamen Einkauf und besserer Planung könnte sie schnell operativ Gewinne einfliegen, meinen die Lufthansa-Experten. Und für 2027 sah der gemeinsame Businessplan von Lufthansa und römischem Finanzministerium aus dem Vorjahr bereits einen Umsatz von 4,1 Milliarden Euro vor (2022: 1,6 Mrd).
Risikofaktor italienische Regierung
325 Millionen Euro sollen als erste Rate für 41 Prozent der Anteile in das Eigenkapital der Airline mit 71 tiefblau lackierten Flugzeugen fließen. Der italienische Staat, angesichts der schnellen Regierungswechsel durchaus ein Risikofaktor, bleibt zunächst noch an Bord. Ab 2025 kann Lufthansa unter genau definierten Bedingungen die Option für weitere 49 Prozent ziehen und unter Umständen sogar alleiniger Eigentümer der Airline werden. Für die Übernahme der restlichen 10 Prozent vom Staat muss noch die geschäftliche Entwicklung bewertet werden.
Als neuer Ita-Chef ist Lufthansa-Strategiechef Jörg Eberhart im Gespräch, der bereits knappe acht Jahre lang die in Norditalien aktive Regionaltochter Air Dolomiti geleitet hat. Er könnte mit einem weiteren Lufthanseaten in den fünfköpfigen Ita-Verwaltungsrat einziehen./ceb/DP/nas
Quelle: dpa-Afx