BERLIN (dpa-AFX) - Für eine Nebenfigur im Wirecard
Nicht "optimal" war die Rolle der Behörden beim Betrugsskandal bei dem inzwischen insolventen früheren Dax
Die Prüfer von EY hatten Wirecards Bilanzen jahrelang ohne Einwände gebilligt und sind deshalb mit heftigen Vorwürfen konfrontiert. Der sogenannte Wambach-Bericht einer Kanzlei, der am Dienstag im Untersuchungsausschuss vorgestellt wurde, sei unmissverständlich, sagte SPD-Obmann Jens Zimmermann: "EY hat bei Wirecard über viele Jahre nicht ordnungsgemäß geprüft."
Altmaier sagt im Ausschuss, er könne im Umgang mit dem Thema Wirecard durch die Apas keine offenkundigen Versäumnisse erkennen. Er selbst habe sich erst am 18. Juni 2020 mit Wirecard näher befasst - es war sein Geburtstag und der Tag, an dem Wirecard die Veröffentlichung der Jahresbilanz wegen eines fehlenden Testats erneut verschob. Wenig später muss der Zahlungsdienstleister und ehemalige Börsenliebling Insolvenz anmelden. Bei dem Unternehmen klaffte ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro. Die Münchener Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es seit 2015 Scheingewinne auswies.
Die Wirtschaftsprüfer von EY hatten jahrelang ihre Stempel unter diese Abschlüsse gesetzt. Und die Apas? Habe zu spät genau hingesehen, so der Vorwurf etwa der Opposition. Sie griff erst im Mai 2020 ein, als ein Sondergutachten erhebliche Zweifel an Wirecards Redlichkeit aufrief. Da Altmaier für die Apas zuständig sei, trage auch er eine politische Verantwortung, sagt die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus.
Altmaier dagegen betont, die Apas sei unabhängig, das Wirtschaftsministerium habe nur die Rechtsaufsicht. Anders als bei der Bafin, für die Finanzminister Scholz auch die Fachaufsicht trägt. Altmaier kündigte an, für die Apas Compliance-Vorschriften anzupassen. Denn für die Wirtschaftsprüferaufsicht hatte der Skandal bereits Folgen: Ihr Chef wurde entlassen, nachdem er im Untersuchungsausschuss zugab, privat mit Aktien des Skandalunternehmens gehandelt zu haben, während die Aufsicht die Wirecard-Prüfer unter die Lupe nahm. Die Regeln müssten so angepasst werden, dass nicht der Verdacht der Befangenheit und Interessenkollision entstehe, sagt Altmaier.
Der CDU-Wirtschaftsminister und der SPD-Finanzminister und Kanzlerkandidat: zwei Zeugen, die in der heißen Phase des Untersuchungsausschusses in dieser Woche als Zeugen gehört werden - wenige Monate vor der Bundestagswahl. Im Fokus der Aufarbeitung steht weniger Altmaier, sondern vor allem Scholz - und sein Staatssekretär Jörg Kukies.
Die SPD versucht dennoch, den Blick auf Altmaier zu lenken. Der CDU-Mann habe Reformen bei Apas blockiert, jetzt stemme sich die Union gegen strenge Haftungsregeln für Wirtschaftsprüfer, kritisiert die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe. "Die Lobby ist mit voller Kraft am Werk und findet viele offene Türen bei unserem Koalitionspartner." Ihr Parteifreund Jens Zimmermann sagt, Scholz habe sich bei der Aufklärung des Wirecard-Skandals an die Spitze der Aufklärung gesetzt. Im Wirtschaftsministerium habe man dagegen stets ein ein "kleines Profil" gesucht.
Die Strategie der SPD sei offensichtlich, kontert Unions-Obmann Matthias Hauer. "Hier werden Nebelkerzen um den Finanzminister herumgeworfen." Dies diene nur einem Sinn, nämlich von der Hauptperson in diesem Thema abzulenken - dies sei Scholz.
Der SPD-Kanzlerkandidat soll am Donnerstag in den Untersuchungsausschusses kommen, tags zuvor Kukies. Für Freitag ist Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als Zeugin geladen. Sie hatte sich während einer Reise nach China für Wirecard eingesetzt - zu einem Zeitpunkt, zu dem zumindest kritische Medienberichte über das Unternehmen bereits bekannt waren.
Aus dem Kanzleramt kam am Dienstag - vor Altmaier - Digitalstaatsministerin Dorothee Bär in den Ausschuss. Es ging um ein Treffen mit dem früheren Chef des Skandalkonzerns, Markus Braun. Er gilt als einer der Drahtzieher des mutmaßlichen Milliardenbetrugs.
Braun habe bei einer Betriebsbesichtigung 2018 fallen gelassen, dass er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gerne einmal kennenlernen würde, sagte Bär. Das sei ihr gerade für den Chef eines Dax-Unternehmens nicht ungewöhnlich vorgekommen. Sie habe die Kanzlerin dann "zwischen Tür und Angel" auf den Terminwunsch Brauns angesprochen. Merkel habe ihr gesagt, der Gesprächswunsch solle ans Kanzleramt weitergegeben werden - der Termin kam danach nicht zustande. Dass sie das Anliegen weitergegeben habe, sei "nachvollziehbar", sagte Bär - es habe geheißen, Wirecard sei ein "deutsches Wunderkind"./tam/DP/fba
Quelle: dpa-Afx