KARLSRUHE (dpa-AFX) - Internet-Plattformen wie Youtube können wegen Urheberrechtsverletzungen unter bestimmten Umständen künftig in Deutschland auf Schadenersatz verklagt werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) änderte mit mehreren am Donnerstag verkündeten Urteilen seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Anbieter nicht als Täter haften, wenn Nutzer mit hochgeladenen Inhalten gegen Urheberrecht verstoßen. Bislang konnten die Firmen nur wegen Unterlassung belangt werden. (Az. I ZR 135/18 u.a.)
Der BGH passte seine Entscheidungen nun der EU-Rechtslage an, wie der Vorsitzende Richter Thomas Koch sagte. Die Richterinnen und Richter hatten nach ersten Verhandlungen 2018 den Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet, weil das Urheberrecht EU-weit einheitlich geregelt ist. Nach den Ausführungen des EuGH gilt es Koch zufolge bei dem Thema drei Aspekte zu prüfen: ob die Plattformen von sich aus genug gegen Urheberrechtsverstöße tun, nach entsprechenden Hinweisen unverzüglich reagieren oder ein Geschäftsmodell betreiben, das Nutzer zu derartigen Vergehen animiert.
In einem Fall klagt der Produzent Frank Peterson gegen Youtube, weil Nutzer immer wieder unerlaubt Videos mit Musik der Sängerin Sarah Brightman auf der Plattform eingestellt hatten. Die Mitschnitte, um die es geht, tauchten Ende 2008 dort auf.
In den anderen Fällen klagen Verlage, Musik- und Filmunternehmen und die Verwertungsgesellschaft Gema gegen den Dienst Uploaded der Schweizer Cyando AG. Bei diesem Filehosting-Dienst konnten Nutzer alle möglichen Inhalte hochladen und für andere Menschen verlinken - harmlose Schnappschüsse vom Haustier, aber auch urheberrechtlich geschützte Filme, Songs oder E-Books. Nutzer, deren Inhalte besonders häufig heruntergeladen wurden, bekamen laut Gericht sogar Geldprämien.
Aus Petersons Sicht liegt der Ball in seinem Fall nun bei Youtube beziehungsweise dem Mutterkonzern Google
Ein Youtube-Sprecher sagte, man sei führend im Urheberrecht und unterstütze Rechteinhaber, den gerechten Anteil zu erhalten. "In den letzten drei Jahren haben wir mehr als 26 Milliarden Euro an Autoren, Künstler und Medienunternehmen gezahlt - davon allein im vergangenen Jahr 3,6 Milliarden Euro an die Musikindustrie." Um beurteilen zu können, wie sich die BGH-Entscheidung auf Nutzer und die Plattform auswirke, werde die Urteilsbegründung abgewartet.
Zwar gab der BGH den Revisionen mal in Gänze und mal teilweise statt. Um Detailfragen zu klären, müssen alle Verfahren aber neu verhandelt werden. So gebe es bei Uploaded "gewichtige Anhaltspunkte", dass die technischen Maßnahmen Urheberrechtsverletzungen nicht hinreichend effektiv entgegenwirkten und das Geschäftsmodell Nutzer verleiten solle, rechtsverletzende Inhalte zu teilen. Für eine abschließende Beurteilung seien hierzu aber noch Feststellungen zu treffen, befand der erste Zivilsenat.
Die Berufungsgerichte müssen außerdem entscheiden, ob die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe auch nach einem erst seit August 2021 geltenden Gesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten gegeben sind. "Gerade Letzteres ist eine spannende Frage, denn die Abgrenzung des Begriffs der Wiedergabe in dem neuen Gesetz im Vergleich zu dem Begriff, den die europäische Rechtsprechung über Jahre entwickelt hat, ist unklar", sagte Martin Gerecke, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland./kre/DP/mis
Quelle: dpa-Afx