HANNOVER/BERLIN (dpa-AFX) - Im Winter droht eine Gaskrise, auch beim Strom bestehen Risiken. Politiker und Experten rufen zum sparsamen Umgang mit Energie auf, damit die Speicher und Kraftwerkskapazitäten für den Fall weiterer russischer Lieferkürzungen ausreichen. Neben Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen kommt dabei großen Unternehmen eine Schlüsselrolle zu. Eine Auswahl aktueller Planungen:
Stahl: Die rohstoffintensive Branche sorgt sich um ihren Gaseinkauf. So bereitet sich der größte deutsche Hersteller Thyssenkrupp
Die Nummer zwei, die Salzgitter AG
Automobilbau: Die deutsche Vorzeigeindustrie braucht bisher große Mengen an Gas für viele Verfahren und die Energieversorgung ihrer Fabriken, zusätzlich wird Strom teilweise in eigenen Anlagen erzeugt. Der Volkswagen
Der Konkurrent Mercedes-Benz
Als Autozulieferer ist Continental
Chemie und Pharma: Die Branche ist mit einem Anteil von 15 Prozent größter Gasverbraucher in Deutschland. Hier ist Erdgas nicht nur ein bisher unerlässlicher Energieträger, sondern auch ein Rohstoff, der in viele Endprodukte einfließt. Der Verband VCI sieht nur noch wenig Senkungspotenzial: Durch den Einsatz anderer Brennstoffe ließen sich kurzfristig nur 2 bis 3 Milliarden Kilowattstunden (kWh) an Energie aus Gas einsparen - pro Jahr bräuchten die Firmen rund 135 Milliarden kWh. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup sagte Mitte Juli: "Für unsere Unternehmen gilt, dass wir aktuell noch einmal alles geben, um auch die allerletzten Gas-Einsparpotenziale zu heben."
Zuletzt hörte man aber wieder etwas optimistischere Stimmen. BASF
Maschinenbau: Auch in dem stark mittelständisch geprägten Gewerbe - oft als "Rückgrat" der deutschen Wirtschaft bezeichnet - variiert die Betroffenheit je nach Betrieb. Für die Gesamtbranche schätzt Matthias Zelinger, Energieexperte des Verbands VDMA, dass die Unternehmen für eine kurze Zeit mit 20 bis 40 Prozent weniger Gas auskommen könnten.
Ende Juni gab fast ein Drittel der Maschinenbauer in einer Umfrage an, sich auf eine Verknappung vorzubereiten. Etwa drei Viertel dieser Firmen prüfen, welche Möglichkeiten sie selbst haben - zum Beispiel über die Installation elektrischer oder ölbefeuerter Back-up-Systeme. Ein Drittel hatte bereits gestaffelte Notfallpläne in der Schublade.
Deutsche Bahn: Mit einem Jahresverbrauch von rund 10 Milliarden kWh ist der bundeseigene Konzern der größte einzelne Stromabnehmer in Deutschland. Erdgas hatte im vorigen Jahr einen Anteil von 6 Prozent am Strommix, Kohle mehr als 20 Prozent und regenerative Energieträger etwa 62 Prozent. Personalvorstand Martin Seiler verweist auf Maßnahmen wie energiesparendes Fahren im Fern- und Regionalverkehr oder den Austausch fossiler Wärme- durch alternative Heizanlagen.
Die Bahn setzt außerdem auf die Motivation ihrer Angestellten. Die Belegschaft soll einen Bonus von 100 Euro pro Kopf erhalten, der auf 150 Euro aufgestockt wird, wenn alle genügend Energie sparen. Dabei geht es etwa um einen besonders schonenden Umgang mit Beleuchtung, dem Heizen, der Klimaanlagen-Nutzung oder der Betankung. Mit dem Anreizsystem soll vor allem der Energieverbrauch in Gebäuden und an Bahnhöfen gesenkt werden. Wie hoch das Potenzial ist und welchen Umfang die Einsparungen konkret haben sollen, sagt die Bahn nicht.
Deutsche Telekom
In den Büros greife die gültige Arbeitsstättenrichtlinie mit entsprechenden Temperaturen, für leichte Tätigkeiten im Sitzen liege diese etwa bei 20 Grad Celsius. "Sollten sich Veränderungen an der Verordnung ergeben, würden wir diese natürlich berücksichtigen." Zulässige Mindesttemperaturen beim Heizen oder Höchsttemperaturen beim Klimatisieren sind ein Thema in zahlreichen Unternehmen. Bei der Telekom läuft vieles - wo dies möglich ist - aber auch im Homeoffice.
Kleinere Betriebe und regionale Kammern: Die Industrie- und Handelskammern (IHK) haben in mehreren Ländern Mitglieder zu den Sorgen um künftige Gaslieferungen befragt. In Niedersachsen etwa sehen gut zwei Drittel der oft auch kleineren Firmen Möglichkeiten, den Strombedarf um bis zu ein Zehntel zu senken. Beim Erdgas sind es 62 Prozent. Behörden und Politik müssten nötige Umbauten dann rasch genehmigen. In Sachsen stellen sich viele Unternehmen nach Angaben der IHK Dresden darauf ein, Erdgas einzusparen oder durch Flüssiggas und Ölfeuerung zu ersetzen. Eine Mahnung aber auch hier: Umfangreiche Anforderungen und Fristen dürften dabei jetzt kein Bremsklotz sein./jap/DP/zb
Quelle: dpa-Afx