BERLIN/ERLANGEN (dpa-AFX) - Mit einem konkreten Konzept für einen Industriestrompreis will die SPD im Bundestag die Bedenken von Kanzler Olaf Scholz gegen eine solche staatliche Subvention ausräumen. Der geschäftsführende Fraktionsvorstand will an diesem Donnerstag ein Positionspapier beschließen, nach dem für ausgewählte Branchen der Strompreis vor Steuern und Umlagen für mindestens fünf Jahre auf fünf Cent pro Kilowattstunde begrenzt werden soll. Die Differenz zum durchschnittlichen Börsenstrompreis, der derzeit bei etwa 8,95 Cent liegt, soll der Staat übernehmen.
Anfang nächster Woche soll die Fraktion bei ihrer Klausurtagung in Wiesbaden über das Konzept befinden, das der Deutschen Presse-Agentur und den Zeitungen der Funke Mediengruppe vorliegt. Bei den Beratungen in der hessischen Hauptstadt wird dann auch Scholz erwartet. Zur Vorbereitung der Klausur kommt der Fraktionsvorstand bereits am Donnerstag im bayerischen Erlangen zusammen.
Mit fünf Cent geht das Konzept der SPD-Fraktionsspitze für den von ihr sogenannten "Transformationsstrompreis" weiter als das von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der sechs Cent vorgeschlagen hat. Mit der vorübergehenden Subventionierung soll angesichts der derzeit vergleichsweise hohen Energiekosten in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.
Es sollen vor allem Unternehmen entlastet werden, die besonders viel Energie verbrauchen. Hinzu kommen die Schlüsselbranchen für einen klimaschonenden Umbau der deutschen Wirtschaft, also zum Beispiel Produzenten von Windrädern, Solaranlagen, Batterien oder Wärmepumpen. So soll sichergestellt werden, dass die Transformation weiter Fahrt aufnimmt. Die hohen Stromkosten seien "Gift für Investitionsentscheidungen" für Deutschland, heißt es in dem SPD-Positionspapier. Sie seien "das zentrale Problem für die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Transformationsprozess auf dem Weg zur Klimaneutralität".
Die Inanspruchnahme des Preises soll an Standort- und Beschäftigungsgarantien der Unternehmen gekoppelt werden. Außerdem seien Tarifbindung oder zumindest eine Orientierung an Tarifen erforderlich.
Scholz hatte sich erst in der vergangenen Woche wieder skeptisch zu einem Industriestrompreis geäußert. "Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer, das die Inflation wieder anheizt, oder eine Dauersubvention von Strompreisen mit der Gießkanne können wir uns nicht leisten und wird es deshalb auch nicht geben", sagte er. "Das wäre ökonomisch falsch, fiskalisch unsolide und würde sicherlich auch falsche Anreize setzen."
Darauf geht das SPD-Positionspapier nun ein. Es sieht eine Befristung von zunächst fünf Jahren vor, in denen der Ausbau erneuerbarer Energien forciert werden soll. Bereits nach zwei Jahren soll der Preis von fünf Cent überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Nach vier Jahren soll dann entschieden werden, ob eine Verlängerung der Frist nötig ist. In jedem Fall soll die Unterstützung aber enden, sobald genug Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann.
"Niemand will Dauersubventionen noch ein Strohfeuer", sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Es geht darum, unsere Wirtschaft klug zu unterstützen und den Ausbau der Erneuerbaren zu beschleunigen."
Finanziert werden soll der "Transformationsstrompreis" nach den Vorstellungen der SPD-Fraktionsspitze über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds - einem Sondertopf des Bundes, aus dem die Energiepreisbremsen gezahlt werden. Die Kosten dafür sind aber deutlich geringer als erwartet.
Die FDP lehnt einen Industriestrompreis sowie eine Öffnung des Fonds ab. Viele Länder sowie Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände dagegen fordern seit längerem einen Industriestrompreis. Die Energiekosten in Deutschland sind in der Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine massiv gestiegen, weil Deutschland sich aus der Abhängigkeit von günstigen russischen Gaslieferungen lösen musste./mfi/DP/mis
Quelle: dpa-Afx