DUISBURG (dpa-AFX) - Kohle wird im Revier seit fast zwei Jahren nicht mehr gefördert und jetzt wackelt auch der Stahl. Thyssenkrupp
Der Weg in diese Zukunft begann am Freitag auf einem Werksparkplatz zwischen Kohlebergen und abgestellten Stahlbrammen. Dort präsentierte der größte deutsche Stahlhersteller die Pläne für einen neuartigen Hochofen, in dem Stahl mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und nicht mehr mit Kohle erzeugt werden soll. Dann würde nur Wasserdampf statt Kohlendioxid entweichen. In Betrieb gehen soll der Hochofen 2025 und ab 2030 etwa 3 Millionen Tonnen Stahl im Jahr liefern, ein gutes Viertel der bisherigen Jahresproduktion in Duisburg.
Rund eine Milliarde Euro soll die "Direktreduktionsanlage mit Einschmelzer" kosten. Zu viel Geld für den angeschlagenen Konzern. Kein Unternehmen in der Stahlindustrie könne solche "Herausforderungen allein bewältigen", sagte Vorstandschefin Martina Merz. Aber im Stahl liege "ein unglaublich großer Hebel", dem Klimawandel zu begegnen, warb Merz um staatliche Unterstützung. Auf die Stahlindustrie entfällt ein erheblicher Teil des CO2-Ausstoßes. Allein der Standort Duisburg ist für zwei Prozent der deutschen Emissionen verantwortlich.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) war quasi als Mutmacher in das riesige Stahlwerk am Rhein gekommen. Seine Botschaft: "Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, damit diese Transformation gelingt und der Stahl eben nicht zur neuen Kohle wird." Konkrete Finanzzusagen hatten Altmaier und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) aber nicht mitgebracht. Denn ohne Zustimmung aus Brüssel dürfen keine Beihilfen aus dem Bundeshaushalt fließen. Altmaier ist aber zuversichtlich, bis Mitte kommenden Jahres grünes Licht von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zu bekommen.
Wie viel Stahl künftig noch in Deutschland produziert wird, ist aber ungewiss. Die Hüttenwerke stecken nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie in der Krise. Der Stahlabsatz ist bereits vorher gesunken. Viele Jahre sei es der Branche im europäischen Vergleich gut gegangen, sagte Roland Döhrn, Stahlexperte des Essener Wirtschaftsforschungsinstituts RWI. "Die deutsche Wirtschaft ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern außergewöhnlich stahlintensiv." Ihre enge Verknüpfung mit der Automobilindustrie, auf die etwa ein Viertel des deutschen Stahlbedarfs entfalle, werde aber zunehmend zum Problem für die Branche. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass beim Umstieg auf die E-Mobilität die für den Auslandsabsatz bestimmten Fahrzeuge künftig vermehrt "näher am Kunden" produziert werden, sei relativ hoch.
Angesichts der Größe der Herausforderung sind auch wieder Rufe nach einer Fusion deutscher Stahlhersteller laut geworden. Thyssenkrupp-Chefin Merz hält die Augen in alle Richtungen offen und betont, es gebe keine Denkverbote. Altmaier will sich nicht einmischen. "Das müssen die beteiligten Unternehmen diskutieren", sagte er. Die angebotenen Hilfen des Bundes werde es aber "unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen" geben. Nur die Frage nach der von der NRW-SPD geforderten Staatsbeteiligung an einem fusionierten Stahlkonzern wollte der Wirtschaftsminister nicht hören. Sie "stelle sich nicht und sei gegenstandslos"./hff/DP/stw
Quelle: dpa-Afx