PEKING (dpa-AFX) - Die Energieknappheit durch die schlimmste Hitze in China seit sechs Jahrzehnten macht deutschen Unternehmen zunehmend zu schaffen. Es kommt zu vorübergehenden Produktionsstopps und anderen Sparmaßnahmen. "Die mangelnde Energiesicherheit stellt deutsche Unternehmen in China vor große Herausforderungen", sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China (AHK), am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Peking. In schwer betroffenen Regionen wie Sichuan stünden Produktionsbänder deutscher Firmen still.
Nachdem die Corona-Lockdowns in China im Frühjahr die Lieferketten unterbrochen hatten und die strikte Null-Covid-Politik bis heute die zweitgrößte Volkswirtschaft bremst, erschwert jetzt zusätzlich wieder Strommangel die Produktion. Hildebrandt sieht sich an das vergangene Jahr erinnert, "als sich die Energieknappheit bis in den November zog". Damals mussten deutsche Firmen auf 20 bis 30 Prozent ihres Strombedarfes verzichten, was die Produktion großflächig zum Stillstand gebracht hatte.
Das Thema ist für Chinas Regierung äußerst sensibel, da seit dem Chaos damals hohe Regierungsvertreter mehrmals versprochen hatten, Stromengpässe in diesem Jahr unter allen Umständen zu vermeiden. Um die Ausfälle bei der Wasserkraft durch die Dürre aufzufangen, laufen jetzt auch Kohlekraftwerke auf Hochtouren. In Sichuan produzieren die 67 lokalen Kohlekraftwerke 50 Prozent mehr Strom als ihre geplante Kapazität eigentlich vorsieht, wie Staatsmedien berichten.
Die Ankurbelung der Kohleverstromung stieß auf Besorgnis von Klimaschützern. Als der weltgrößte Produzent von Kohlendioxid sind Chinas Bemühungen zur Verringerung fossiler Energie entscheidend für den weltweiten Kampf gegen die Erderwärmung. Das bevölkerungsreichste Land bezieht ohnehin noch zwei Drittel seines Stroms aus Kohle.
"Die chinesische Regierung steht massiv unter Druck", sagte AHK-Chef Hildebrandt. "Bei schwächelndem Wirtschaftswachstum und ambitionierten Klimaneutralitätszielen wird das Ausbalancieren zwischen Energiesicherheit und Dekarbonisierung zunehmend schwierig." Der Zugang zu erneuerbaren Energien und smarten Stromnetzen und deren Förderung gewinne für deutsche Unternehmen vor Ort an Priorität.
Das nationale Wetteramt warnte wieder vor extrem hohen Temperaturen in 16 Provinzen in Zentral- und Südchina. Schon seit mehr als einer Woche wird in Sichuan der Strom für die 81 Millionen Einwohner und Industriebetriebe rationiert. Normalerweise stammen 82 Prozent der Energie in der Provinz aus Wasserkraft, doch sind die Pegel der Stauseen durch die Trockenheit stark gesunken. Die Stromproduktion aus Wasserkraft fiel um die Hälfte, während in der Hitze die Nachfrage durch Klimageräte in die Höhe schießt.
In der zentralchinesischen Provinz Hubei hat der Wasserstand des Jangtse-Stromes den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 1865 erreicht. Um Strom zu sparen, werden in viele Metropolen Klimageräte heruntergefahren, Lichter und Rolltreppen ausgeschaltet. Die Provinzregierung in Zhejiang erließ Anfang August einen Notfallplan, der die Stilllegung der Produktion von Unternehmen an ein bis zwei Tagen pro Woche vorsah. Zu ähnlichen Maßnahmen kam es in Jiangsu. Davon waren auch deutsche Unternehmen betroffen.
In Shanghai beklagten Unternehmen vergangene Woche mehrstündige Unterbrechungen der Stromversorgung. Deutsche Firmen in Sichuan und Chongqing sind bereits seit Juli von Einsparungen betroffen, die zum Teil auch Produktionsstopps bedeuten. Betroffen sind vor allem Automobilzulieferer, wie die Handelskammer berichtete. In einer im Januar 2022 veröffentlichten Umfrage gaben 15 Prozent der deutschen Unternehmen in China die mangelnde Verfügbarkeit von Energie als "eine ihrer drei größten operativen Herausforderungen" an.
Für Chinas Regierung hat die Versorgung der Privathaushalte und öffentlichen Einrichtungen Vorrang. Wegen der erzwungenen Stilllegungen könnte die angeschlagene Industrieproduktion weiter leiden. Ohnehin kommt die Wirtschaft nach den Lockdowns im Frühjahr nicht wieder in Schwung. Gründe sind nicht nur die anhaltenden Null-Covid-Beschränkungen, sondern auch die schweren Krisen im Immobilien- und Bankensektor.
Im zweiten Quartal hatte das Wachstum in China nur noch 0,4 Prozent erreicht. Die Regierung hatte für dieses Jahr eigentlich 5,5 Prozent als Ziel vorgegeben, doch rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) nur noch mit 3,3 Prozent./lw/DP/mis
Quelle: dpa-Afx