GÖPPINGEN (dpa-AFX) - Der Softwareanbieter Teamviewer
In der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr galt Teamviewer als Shootingstar an der Börse, weil die Nachfrage nach Computer-Fernwartung und Videokonferenzsystemen dem MDax-Unternehmen einen Boom bescherte. Schon auf dem Höhepunkt des guten Laufs versuchte das Management die Euphorie um die Aktie etwas zu bremsen, blieb für das grundlegende Wachstum aber optimistisch.
Mit der Umsatz- und Gewinnwarnung ist nun bei den Anlegern aber endgültig Ernüchterung eingekehrt: Das Papier fiel kurz nach der Mitteilung bis zu 28 Prozent auf das Rekordtief von 17,14 Euro, konnte sich aber in der Folge zumindest wieder etwas erholen. Zuletzt gab das Papier aber immer noch um 24 Prozent auf 18,11 Euro nach. Im Februar hatte die Aktie in der Spitze noch fast 50 Euro gekostet, der Bestwert lag mit 54,86 Euro im Juli 2020 noch darüber. Im September 2019 war Teamviewer mit einem Ausgabekurs von 26,25 Euro an der Börse gestartet.
Die Mittelfristziele kappte das Management wegen der wohl auch anhaltend schwächeren Wachstumsaussichten ebenso. Aus den angepeilten 1 Milliarde Euro Billings im Jahr 2023 wird demnach nichts, nun rechnet Teamviewer für das Jahr 2022 und darüber hinaus mit Wachstum im oberen Zehnerprozentbereich. Der Umsatz dürfte ab kommendes Jahr im mittleren Zehnerprozentbereich wachsen.
Für einen Händler kam die Prognosesenkung zwar nicht gänzlich unerwartet - fiel aber eben doch schlimmer aus als erwartet. Das seien keine gute Nachrichten für die Aktie. Zudem zweifelte der Börsianer am "Marketing-Experiment" des Unternehmens, das seiner Ansicht nach keine Früchte trage. Teamviewer hatte dieses Jahr viel Geld in teure Werbeverträge gesteckt.
Das Management gab sich in einer Telefonkonferenz mit Analysten und Investoren ungewohnt zerknirscht, Steil sprach von "sehr schlechten Resultaten" im dritten Quartal, Gaiser von einer großen "Enttäuschung". Zweifel von Analysten an den Wachstumsambitionen für das zweite Halbjahr hätten sich bestätigt, das müsse er zugeben, sagte Steil. Das Unternehmen werde nun auch prüfen, ob es zu schnell zu viel investiert habe, doch das gehe nicht von heute auf morgen. Finanzchef Gaiser räumte ein, dass die Ziele insgesamt zu hoch gesteckt worden seien. Mit den neuen Zielen gehe das Management davon aus, diese auch erreichen zu können.
Im dritten Quartal wuchsen die sogenannten Billings - die Steil und sein Finanzchef Stefan Gaiser derzeit als maßgeblich für die Beurteilung der Nachfrageentwicklung sehen - um 18 Prozent auf rund 126 Millionen Euro. Eigentlich hatte sich Teamviewer aber ein Wachstum von mindestens 20 Prozent vorgenommen, um die Jahresziele noch schaffen zu können.
So peilt das Unternehmen nun bei den Billings im Gesamtjahr nur noch zwischen 535 und 555 Millionen Euro an. Zuletzt hatte das Management das untere Ende der Spanne von 585 bis 605 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Der für dieses Jahr gebuchte Umsatz dürfte 495 bis 505 Millionen Euro betragen anstatt um die 525 Millionen Euro. Der Unterschied zwischen Billings und Umsatz besteht darin, dass die Rechnungsstellungen das jeweils für die kommenden zwölf Monate in Rechnung gestellte Vertragsvolumen einbeziehen, der Umsatz aber nur die auf den Berichtszeitraum selbst entfallenden Beträge.
Auch die Profitabilität wird unter den eingetrübten Aussichten leiden. Bei der operativen Marge des bereinigten Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen senkte das Unternehmen die Zielspanne auf 44 bis 46 Prozent der Billings, nachdem der Vorstand zuletzt noch von 49 bis 51 Prozent ausgegangen war.
Hier hatte Teamviewer die Anleger schon einmal in diesem Jahr verschreckt, als mit dem englischen Premier-League-Fußballclub Manchester United ein teurer Werbevertrag als Haupttrikotsponsor geschlossen wurde, was die Kosten fürs Marketing anschwellen ließ. Auch beim Mercedes-Formel-1-Team platzierte Teamviewer sein Logo. Die Werbeausgaben sollen langfristig das Wachstum ankurbeln, schlagen aber erst einmal ins Kontor: So sackte die bereinigte operative Marge (Ebitda) im dritten Quartal auf rund 34 Prozent ab. Vor einem Jahr lag die Marge bei rund 55 Prozent.
Laut Teamviewer war im abgelaufenen Jahresviertel aber nicht alles schlecht. So habe sich etwa die Kündigungsrate gegenüber dem zweiten Quartal verbessert. Das Großkundengeschäft habe sich positiv entwickelt, wenn auch langsamer als erhofft. Das Billings-Wachstum habe sich zum Ende des Quartals erheblich beschleunigt.
Zum Ergebnis unter dem Strich machte Teamviewer keine Angaben. Den vollständigen Zwischenbericht zum dritten Quartal will das Unternehmen am 3. November vorlegen./men/zb/he
Quelle: dpa-Afx