BERLIN (dpa-AFX) - Wer derzeit in Deutschland sein neu gekauftes Auto auch fahren will, braucht Geduld. Bis ein Neuwagen etwa in Berlin zugelassen wird, dauere es "mindestens sechs Wochen", teilte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen KfZ-Gewerbes (ZDK), Axel Koblitz, mit. Viele Zulassungsstellen arbeiteten immer noch im Krisenmodus und kämen nicht voran.
"Besonders prekär sind die Verhältnisse beispielsweise in Frankfurt, Köln und Berlin", teilte Koblitz weiter mit. "Kein Händler kann einem Kunden erklären, warum dieser so lange warten muss." Roman Still, Chef der größten herstellerunabhängigen deutschen Autohandelsgruppe AVAG aus Augsburg mit mehr als 100 Standorten in der Bundesrepublik, betonte: "Das ist geschäftsverhindernd."
Aus Sicht des Verbands muss sich das schnell ändern, um die Nachfrage nach Neuwagen weiter anzukurbeln. Die hat sich im Juli erstmals in der Krise wieder etwas erholt. 314 938 Autos wurden hierzulande im Juli zugelassen, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) am Mittwoch mitteilte. Das waren zwar 5,4 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. Doch der Rückgang bei den Neuzulassungen hat sich damit deutlich verlangsamt. "Dies ist der bislang geringste Rückgang im laufenden Jahr", teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit.
Noch im Juni waren die Zahlen um rund ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Im gesamten ersten Halbjahr ging die Zahl der Neuzulassungen hierzulande laut VDA um rund 35 Prozent auf 1,21 Millionen Einheiten zurück, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum.
Doch von Entwarnung will die Branche nichts wissen. Trotz der leichten Erholung steht der Markt dem VDA zufolge weiter "unter enormem Druck". Auch der etwas bessere Juli konnte nicht verhindern, dass in den ersten sieben Monaten dieses Jahres der Absatz um 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau lag. 1,5 Millionen Fahrzeuge wurden demnach von Januar bis Juli hierzulande zugelassen. Für das Gesamtjahr geht der VDA weiter von insgesamt 2,8 Millionen Fahrzeugen aus und damit von einem Rückgang von rund 23 Prozent in Deutschland.
Hinzu kommt das weiterhin schwach laufende Auslandsgeschäft. 242 800 Neuwagen wurden laut VDA an Kunden in aller Welt ausgeliefert. Das waren in etwa so viele wie im Juni, aber rund 15 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.
Die Bundesregierung versucht, der Nachfrage im Inland mit einem umfassenden Konjunkturpaket wieder auf die Sprünge zu helfen. Höhere Kaufprämien für Elektroautos und eine geringere Mehrwertsteuer sollen die Anschaffung eines Neuwagens für Verbraucher attraktiver machen und der Branche aus ihrer Absatzkrise helfen. Die Maßnahmen sind im Juli in Kraft getreten und dürften zur Entlastung beigetragen haben.
Ohnehin ist der Fahrzeugmarkt nicht gleichermaßen stark von der Krise gezeichnet. Zwar ist die Nachfrage nach Verbrennermotoren kräftig eingebrochen. Doch Elektroautos waren im bisherigen Gesamtjahr weiterhin äußerst beliebt. Allein im Juli wurden 16 798 Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb neu zugelassen. Das waren 181 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
"Hierzu trägt auch maßgeblich die Innovationsprämie der Bundesregierung bei, die die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der E-Fahrzeuge gesteigert hat und zusätzlich die Akzeptanz der E-Mobilität erhöht", teilte Automobil-Experte Stefan Bratzel mit, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.
Der Anteil von E-Fahrzeugen an sämtlichen Zulassungen im Juli bleibt mit rund 5 Prozent allerdings weiterhin gering. Und auch den als Spritschleudern verschrienen SUV konnte die Krise bislang wenig anhaben. Um 3,2 Prozent stieg die Zahl ihrer Neuzulassungen im vergangenen Monat.
Der Zulassungsstau sorgt aber weiter für Ärger beim Autohandel - und nicht nur wegen ungeduldiger Kunden. Weil viele Hersteller die Boni, die sie ihren Händlern gewähren, von der Zufriedenheit der Kunden abhängig machen, kann deren Ärger das Autohaus direkt Geld kosten, wie ZDK-Vize Thomas Peckruhn sagte. Zudem geht die langsame Abarbeitung den Autohäusern an die Liquidität. Der Händler muss das Auto in der Regel bezahlen, wenn er es vom Hersteller bekommt, das Geld des Kunden bekommt er aber erst, wenn es ausgeliefert wird. "Für manche Autohändler kann das kritisch werden", sagte Peckruhn./maa/DP/jha
Quelle: dpa-Afx