WASHINGTON/MOSKAU (dpa-AFX) - Nach der erzwungenen Landung einer europäischen Passagiermaschine in Minsk haben nach der EU nun auch die USA Sanktionen gegen Belarus beschlossen. In der kommenden Wochen träten Strafmaßnahmen gegen neun Staatsbetriebe wieder in Kraft, kündigte die Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, Jen Psaki, an. Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja rief am Samstag zu weltweiten Kundgebungen gegen Machthaber Alexander Lukaschenko und für die Freilassung politischer Gefangener auf. Auch in mehreren deutschen Städten waren Aktionen geplant.
Die USA kündigten an, in Absprache mit der EU und weiteren Partnern gezielte Sanktionen gegen "Schlüsselfiguren des Regimes" vorzubereiten. Das US-Außenministerium sprach zudem eine Reisewarnung für die ehemalige Sowjetrepublik aus. Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA mahnte Fluggesellschaften, bei Flügen über Belarus (früher: Weißrussland) "extreme Vorsicht" walten zu lassen. Das Schicksal des vor einer Woche verhafteten Regierungskritikers Roman Protassewitsch blieb weiter ungewiss.
Die EU hatte sich bereits am Montag auf neue Sanktionen geeinigt. Sie stellte Belarus zudem ein drei Milliarden Euro starkes Unterstützungspaket in Aussicht. Es soll aber erst aktiviert werden, wenn das Land "einen demokratischen Übergang eingeleitet hat". Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte im WDR, nächstes Ziel sei eine "Liste von den Verantwortlichen, die diese Piraterie organisiert haben". Außerdem arbeite man weiter an Wirtschaftssanktionen.
Die Konfrontation zwischen Belarus und dem Westen hatte sich zugespitzt, weil Lukaschenko am vergangenen Sonntag eine Ryanair-Passagiermaschine auf den Boden bringen ließ, um einen seiner Gegner festnehmen zu lassen. Der Blogger Protassewitsch sitzt seither in Haft, ebenso wie seine Freundin Sofia Sapega, eine Russin. International gibt es viel Kritik. Lukaschenko suchte am Wochenende Unterstützung bei Kremlchef Wladimir Putin. Die beiden trafen sich in Sotschi am Schwarzen Meer.
Die ins EU-Land Litauen geflüchtete Oppositionelle Tichanowskaja forderte Solidarität mit Protassewitsch, Sapega und anderen politischen Gefangenen. Sie erinnerte auch an ihren Ehemann Sergej Tichanowski, der bereits seit einem Jahr in Belarus in Haft sitzt. "Meine Kinder und ich vermissen Sergej jeden Tag", schrieb die 38-Jährige auf Twitter.
Tichanowski hatte bei der Präsidentenwahl im vergangenen August gegen den oft als "letzten Diktator Europas" kritisierten Lukaschenko antreten wollen, wurde aber schon Ende Mai festgenommen. Ihm drohen viele Jahre Gefängnis. An seiner Stelle kandidierte seine Frau. Nach der weithin als gefälscht geltenden Wahl ließ sich Lukaschenko zum Sieger erklären. Dies löste Massenproteste in Belarus aus, gegen die der Machtapparat oft brutal vorging.
Unter dem Druck der neuesten Sanktionen flog Lukaschenko, dessen Land ohnehin auf Russland angewiesen ist, am Freitagabend zu Putin. In einem ersten fünfstündigen Gespräch beklagte er sich über wachsenden Druck des Westens. Putin sicherte seinem Gast Unterstützung zu. Konkrete Ankündigungen gab es zunächst nicht. Am Samstag sollte das Treffen weitergehen, wie der dem belarussischen Staatsfernsehen nahe stehende Telegram-Kanal Pul Perwogo berichtete./haw/jbz/DP/men
Quelle: dpa-Afx