SAARBRÜCKEN/BERLIN (dpa-AFX) - Urlauber sollen künftig beim Buchen von Flügen oder Reisen nicht mehr vorab zu Kasse gebeten werden: Darüber sollen die Verbraucherschutzminister der Länder nach einem Vorstoß des saarländischen Ressortchefs Reinhold Jost (SPD) bei ihrem nächsten Treffen beraten. "100 Prozent Vorkasse geht gar nicht", sagte Jost der Deutschen Presse-Agentur in Saarbrücken. Er setzt sich für eine deutliche Verringerung der Vorab-Zahlungen ein - und für eine automatische Rückerstattung, wenn die Reise nicht stattfindet. Gerade in der Corona-Pandemie sei das für Verbraucher wichtig.
Josts Vorschlag stieß bei Verbraucherschützern auf offenen Ohren. "Das Beste wäre: Das Geld wird genau in dem Moment abgebucht, wenn ich die Reise antrete", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Das sei ja in anderen Bereichen der Wirtschaft auch so: "Wenn ich einen neuen Fernseher kaufe, dann bezahle ich auch, wenn ich ihn bekomme." Der vzbv fordert schon seit längerem, dass sich die Bundesregierung für ein Ende der Vorkasse bei Reisen einsetzt.
Dazu notwendig sei ein Systemwechsel - von der Vorkasse zur Bezahlung bei Check-In, sagte Müller. Ein neues Gutachten der Hochschule Luzern zeige, dass eine Umstellung für alle Beteiligten wirtschaftlich "gut umsetzbar" und für Verbraucher nur mit "moderaten Preiserhöhungen" verbunden sei. Ohne Vorkasse müssten die Flug- und Reiseanbieter für Vorleistungen Eigen- oder Fremdkapital aufnehmen.
Wegen der extra Kosten dafür würden nach dem Gutachten die Preise für Flugbuchungen um maximal 3,3 Prozent, die für Pauschalreisen um 1,1 Prozent teurer. "Das ist nicht so teuer, wie viele Leute befürchtet haben", sagte Müller. Die Abschaffung der Vorkasse-Praxis sei als Schritt für mehr Verbraucherschutz machbar und gehöre in den Koalitionsvertrag nach der Bundestagswahl. Am 15. März ist Weltverbrauchertag.
Der Vorstoß sei in Pandemiezeiten besonders dringlich, sagte Jost. Das Vorkasse-System benachteilige vor allem finanziell Schwächere, die Monate im Voraus zahlen müssten. "Wir merken das jetzt in der Pandemie, wo jeder Euro, der da ist oder nicht da ist, festgestellt wird." Hinzu kämen Unsicherheiten, ob gebuchte Reisen wegen Corona überhaupt stattfinden könnten und Sorgen wegen möglicher Insolvenzen von Reiseunternehmen in einer krisengeschüttelten Branche.
Nach Angaben von Müller werden für Flüge 100 Prozent des Flugpreises im Voraus verlangt, bei Pauschalreisen sind es zwischen 20 und 40 Prozent. Jost könnte sich langfristig ein komplett "vorkassenloses Modell" vorstellen. Man dürfe nicht vergessen, dass Reiseanbieter Vorleistungen zahlten müssten. Von daher hält der Minister eher eine stufenweise Verringerung für sinnvoll. "Es ist utopisch zu glauben, dass es auf einmal von heute auf morgen geht."
Die automatisierte Rückerstattung von Anzahlungen aber könnte schneller kommen, sagte Jost. "Aufgrund der Digitalisierung dürfte das keine technische Herausforderung sein." Der Bundesrat habe sich 2018 bereits für die Einrichtung "automatisierter Verfahren der Rückerstattung" ausgesprochen. Von der Bundesregierung sei aber nichts umgesetzt worden. Daher werde Jost auch dieses Thema auf der Verbrauchschutzministerkonferenz Anfang Mai einbringen, sagte der Sprecher der SPD-Länder in dem Gremium.
Nach Angaben des vzbz haben sich die Beschwerden über Flug- und Reiseunternehmen bei den Verbraucherzentralen im vergangenen Jahr mehr als verzehnfacht. Dabei ging es im Corona-Krisenjahr oft um nicht oder zu spät erfolgte Rückerstattungen von Vorkasse-Zahlungen./rtt/DP/stk
Quelle: dpa-Afx