HANNOVER (dpa-AFX) - Der Versicherungskonzern Talanx
An der Börse wurden die Nachrichten mit Enttäuschung aufgenommen. Die Talanx-Aktie gehörte am Nachmittag mit einem Minus von rund vier Prozent zu den schwächsten Werten im Nebenwerte-Index SDax. Damit war sie rund ein Drittel billiger als noch zum Jahreswechsel. Insgesamt wird der Konzern an der Börse mit 7,6 Milliarden Euro bewertet. Allein Talanx' Mehrheitsbeteiligung an dem weltweit drittgrößten Rückversicherer Hannover Rück kommt auf einen höheren Börsenwert.
Die Talanx-Führung hatte ihr ursprüngliches Gewinnziel von 900 bis 950 Millionen Euro für 2020 angesichts der Corona-Krise im April zurückgezogen. Ihr neues Ziel von "deutlich über 600 Millionen" stellte sie nun unter die Voraussetzung, dass es im vierten Quartal keine unerwartet hohen Großschäden oder Verwerfungen an den Kapitalmärkten gibt. Analysten hatten im Schnitt zuletzt mit deutlich mehr Gewinn gerechnet, als Talanx nun in Aussicht stellt. Für das kommende Jahr waren sie sogar von mehr als einer Milliarde Euro ausgegangen.
Im dritten Quartal brach der Talanx-Gewinn im Jahresvergleich um rund 27 Prozent auf 194 Millionen Euro ein. In den ersten neun Monaten hat der Konzern damit 520 Millionen Euro verdient, 30 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Neben Versicherungsschäden infolge der Pandemie belasteten Zerstörungen durch Naturkatastrophen wie Hurrikan "Laura" das Ergebnis. Dennoch sollen die Talanx-Aktionäre für das laufende Jahr eine stabile Dividende von 1,50 Euro je Aktie erhalten.
"Die Corona-Pandemie ist und bleibt eine Herausforderung", sagte Vorstandschef Leue. Das Konzernergebnis der ersten neun Monate sei angesichts der Krise und der hohen Schäden durch Naturkatastrophen wie Hurrikan "Laura" allerdings "beachtlich".
In den ersten neun Monaten summierten sich die coronabedingten Schäden bei Talanx und der Hannover Rück auf 1,06 Milliarden Euro. Die gesamten Großschäden lagen mit 1,6 Milliarden Euro sogar doppelt so hoch wie ein Jahr zuvor. Weil der Großteil davon mit 1,15 Milliarden bei der Hannover Rück anfiel und der Rückversicherer dem Talanx-Konzern nur gut zur Hälfte gehört, schlugen die Belastungen nicht in voller Höhe auf das Konzernergebnis durch.
Die Folgen der Pandemie schlugen vor allem in der Versicherung gegen Betriebsunterbrechungen und Betriebsschließungen zu Buche. Außerdem muss der Konzern für ausgefallene Veranstaltungen und Schäden in der Kreditversicherung geradestehen.
In der Kreditversicherung hat der Versicherer bisher 191 Millionen Euro für drohende Schäden zurückgelegt. "Wie das ausgeht, hängt von der wirtschaftlichen Entwicklung in den jeweiligen Ländern ab", sagte Talanx-Finanzchef Jan Wicke in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.
Ihm zufolge beruhen 90 Prozent der gebuchten Schäden auf modellbasierten Berechnungen, denn bisher seien nur wenige Schäden tatsächlich gemeldet worden. So hätten viele Regierungen die Meldepflicht für Insolvenzen wegen der Krise ausgesetzt, sagte Wicke. Daher sei schwer einzuschätzen, für wie viele Zahlungsausfälle der Versicherer am Ende geradestehen müsse.
Bei der Versicherung gegen Betriebsschließungen hat Talanx aus eigener Sicht aber das Schlimmste überstanden. Bisher hat das Unternehmen hier Belastungen von 325 Millionen Euro verbucht.
Im Gegensatz zu vielen anderen Versicherern hatte die Talanx-Marke HDI ihren vom ersten Lockdown betroffenen Kunden wie Restaurants Schäden ersetzt, die diesen durch die behördlich angeordnete Schließung entstanden waren. Laut Wicke hat aber auch HDI die Klauseln inzwischen größtenteils geändert, so dass pandemiebedingte Betriebsschließungen bei den meisten Kunden nicht mehr versichert seien. Zwar dürften bei Talanx durch den derzeitigen Lockdown noch Schäden hinzukommen, schätzt der Manager. Den Großteil habe Talanx aber hinter sich.
Anders sieht es in der Lebensrückversicherung aus. Dort hat hohe Zahl der Corona-Opfer in den USA bereits am Gewinn gezehrt, und Wicke sieht hier noch kein Ende. So hat die Hannover Rück bereits rund 160 Millionen Euro zurückgelegt. Wicke würde sich nach eigener Aussage "nicht wundern", wenn im vierten Quartal noch einmal mindestens 50 Millionen Euro hinzu kämen. Zudem werde auch eine geänderte Corona-Politik unter einem neuen US-Präsidenten nicht sofort zu sinkenden Fallzahlen führen. "Wir erwarten auch 2021 mindestens in den ersten drei Quartalen Schäden aus der Übersterblichkeit in den USA", sagte Wicke./stw/fba/zb
Quelle: dpa-Afx