BERLIN (dpa-AFX) - Ein Volksentscheid über die Enteignung von großen Immobilienunternehmen in Berlin rückt näher. Die Bürgerinitiative "Deutsche Wohnen
Die Initiative setzt sich dafür ein, Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu "vergesellschaften", also gegen eine Milliardenentschädigung zu enteignen. Rund 240 000 Wohnungen in der Hauptstadt sollen nach den Vorstellungen der Initiative in den Besitz einer Anstalt des öffentlichen Rechts überführt und gemeinwohlorientiert verwaltet werden. Das Ziel ist, so den weiteren Anstieg der Mieten in Berlin zu stoppen, der in den vergangenen Jahren deutlich über dem deutschlandweiten Durchschnitt lag.
Nach dem Scheitern des Mietendeckel-Gesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht im April steht Berlin damit eine Diskussion über das nächste umstrittene mietenpolitische Projekt bevor. Voraussetzung für den Volksentscheid sind rund 175 000 gültige Unterschriften. Das entspricht sieben Prozent der Berliner Wahlberechtigten.
Wie die Landeswahlleitung am Freitag mitteilte, werden die Unterschriften nun geprüft, das Ergebnis soll innerhalb von 15 Tagen bekanntgegeben werden. Es sei aber davon auszugehen, dass das bereits Anfang Juli passieren werde. Bei einer Prüfung der bis dahin eingereichten Unterschriften waren Ende Mai 29,9 Prozent ungültig. Häufigster Grund war, dass die Unterzeichnenden nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hatten.
Rouzbeh Taheri, ein Sprecher der Initiative, zeigte sich am Freitag im RBB-Inforadio optimistisch, dass die Mindestzahl erreicht sei: "Auf jeden Fall haben wir es geschafft, das können wir jetzt schon feststellen", sagte er. "Am 26. September haben die Berlinerinnen und Berliner die Möglichkeit über die Zukunft ihrer Stadt abzustimmen."
Wenn es beim Volksentscheid eine Mehrheit für das Vorhaben gibt, wird sich der künftige Senat damit beschäftigen müssen. Er ist aber nicht rechtlich gebunden, die Pläne der Initiative umzusetzen. "Es kann keinen Senat geben, der einen positiven Volksentscheid in dieser Frage ignoriert", sagte Taheri. "Der Druck wird so groß sein, dass der zukünftige Senat nicht drumrum kommen wird, ein Vergesellschaftungsgesetz zu erarbeiten." Die Berliner Mieterbewegung sei stark und selbstbewusst genug, um auch die künftige Regierung unter Druck zu setzen.
Taheri wies Kritik zurück, die Umsetzung der Pläne werde den Landeshaushalt Milliarden kosten, die dann an anderer Stelle fehlen würden. Die Bürgerinitiative will die Immobilienunternehmen nicht mit Geld, sondern mit Schuldverschreibungen entschädigen. Sie sollen sogenannte Entschädigungsbonds erhalten. Die Schuldverschreibungen sollen dann über einen Zeitraum von 40 Jahren getilgt werden.
Allerdings haben sich nicht nur die Immobilienwirtschaft, die FDP und CDU klar gegen ein solches Gesetz ausgesprochen. Auch die SPD und ihre Spitzenkandidatin Franziska Giffey halten es für den falschen Weg. Die Linke in Berlin hat das Anliegen der Initiative dagegen von Anfang an unterstützt und sogar Unterschriften mitgesammelt. Mehr als 32 000 kamen dabei zusammen. Eine politische Mehrheit für die Umsetzung der Pläne ist derzeit allerdings noch nicht zu erkennen.
Der Erfolg der Unterschriftensammlung zeige, dass sehr viele Berlinerinnen und Berliner bezahlbaren Wohnraum in Gemeineigentum wollten, so Jenny Stupka, eine Sprecherin der Initiative, am Freitag. "Die Berlinerinnen und Berliner lassen sich nicht mit Symbolpolitik abspeisen."
Für den Nachmittag hat "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" eine Kundgebung vor der Senatsverwaltung für Inneres "mit Musik und einer Performance" geplant. Dabei sollen die restlichen Unterschriftenlisten an Vertreter der Landesabstimmungsleitung überreicht und auch die endgültige Zahl der Unterschriften bekannt gegeben werden./ah/DP/eas
Quelle: dpa-Afx