LUBMIN (dpa-AFX) - Innerhalb von 24 Stunden haben beide derzeit ohnehin ungenutzten deutsch-russischen Ostsee-Gaspipelines - Nord Stream 1 und 2 - Druckprobleme gemeldet. Das Kontrollzentrum habe einen Druckabfall in beiden Röhren der Nord Stream 1-Pipeline festgestellt, teilte der Betreiber am Montagabend mit. Demnach sank die Kapazität der Pipeline ungeplant auf null. Die Ursache werde untersucht.
Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und Bundesnetzagentur teilten übereinstimmend mit, man stehe miteinander und mit den betroffenen Behörden im Austausch, um den Sachverhalt aufzuklären. "Aktuell kennen wir die Ursachen für den Druckabfall nicht", hieß es zu den Problemen an Nord Stream 1.
Nachdem die Nord Stream 2 AG in der Nacht zuvor nach ähnlichen Problemen an einer Röhre bereits alle Marinebehörden der Ostsee-Anrainer informiert hatte, wurde im Verlauf des Montags die wahrscheinliche Ursache ausfindig gemacht: Südöstlich der Insel Bornholm sei ein Gasleck beobachtet worden, hieß es in einem Hinweis der zuständigen dänischen Behörde. Das Leck sei gefährlich für die Schifffahrt und das Fahren innerhalb eines Bereichs von fünf Seemeilen von der besagten Position verboten.
Später folgte ein weiterer Warnhinweis der dänischen Schifffahrtsbehörde, dieses Mal zu einem Gasleck nordöstlich von Bornholm. Auch hier wurde auf die Gefahr für den Schiffsverkehr hingewiesen und ein Fahrverbot für einen Radius von fünf Seemeilen ausgesprochen. Ob der zweite Hinweis im Zusammenhang mit Nord Stream 1 stand, war zunächst unklar.
Trotz des zweiten Vorfalls innerhalb kurzer Zeit sahen BMWK und Netzagentur am Abend keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland: "Es fließt seit dem russischen Stopp der Lieferungen Anfang September kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Die Speicherstände steigen dennoch weiter kontinuierlich an. Sie liegen aktuell bei rund 91 Prozent."
Auch Umweltgefahren wegen des Lecks bei Bornholm drohen aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zumindest kurzfristig nicht. Der Organisation zufolge entspreche Erdgas dem Treibhausgas Methan, welches sich teilweise im Wasser löse und nicht giftig sei. Selbst im Falle einer Explosion unter Wasser gäbe es nur lokale Effekte, so ein Sprecher. Schädlich ist Methan vor allem für das Klima.
Im schlimmsten Fall könnte eine große Menge an Gas austreten, vor allem falls auch der Druckabfall in der Nord Stream 1-Leitung auf einen Schaden an der Leitung selbst zurückzuführen ist.
Nord Stream 2-Sprecher Ulrich Lissek befürchtet bereits, dass die mit 177 Millionen Kubikmeter Gas gefüllte Pipeline in den kommenden Tagen leerlaufen könnte. Zum Vergleich: Das Volumen der gesamten jährlichen Trinkwasserentnahme aus dem Bodensee entspricht laut der Bodensee-Wasserversorgung 130 Millionen Kubikmeter. Wäre der mit 48 Milliarden Kubikmeter Wasser gefüllte See ein Gassee, entspräche dies zudem ungefähr den 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas, das jährlich durch beide Röhren von Nord Stream 2 hätte fließen sollen.
Während die Nord Stream 2-Pipeline nach ihrer Fertigstellung aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nie in Betrieb genommen wurde, sondern nur einmalig mit Gas befüllt wurde, floss durch die Nord Stream 1-Pipeline bis Anfang September Gas nach Deutschland. Nachdem der russische Staatskonzern Gazprom
Doch nicht nur der bisherige Gasfluss wird durch den Krieg in der Ukraine beeinflusst. Wegen der Sanktionen gegen Russland sieht die Nord Stream 2 AG ihre Fähigkeiten zur Ursachenforschung eingeschränkt: Man stehe unter Sanktionen, verfüge kaum noch über Personal, und Gelder seien eingefroren, sagte der Sprecher. "Die Behörden sind alle informiert." In Lubmin, dem Ort, in dem die Pipeline in Deutschland anlandet, ist nach Wissen Lisseks kein Personal der Nord Stream 2 AG. Man könne auch keine Aufträge erteilen, da man diese nicht bezahlen könne, und müsse schauen, woher man nun Informationen erhalte, hieß es weiter.
Schon kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine hatten die USA Sanktionen gegen die Nord Stream 2 AG verhängt und alle Geschäfte mit dem Unternehmen mit Sitz in der Schweiz unmöglich gemacht. Erst kürzlich konnte ein drohender Konkurs erneut abgewendet werden./ssc/DP/zb
Quelle: dpa-Afx