BERLIN (dpa-AFX) - Der Weg zur Arbeit wird für viele Pendler am Montag beschwerlich: Regionalzüge und S-Bahnen stehen ebenso still wie viele Busse, Straßen- und U-Bahnen. Auch im Fernverkehr auf der Schiene und an den meisten deutschen Flughäfen wird kaum mehr etwas gehen.
Der Grund sind gemeinsame Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die höhere Löhne erstreiten wollen. Sie rufen im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Tarifkonflikten zu Arbeitsniederlegungen im Eisenbahnsektor, an Flughäfen, auf Flüssen und in kommunalen Häfen sowie im öffentlichen Nahverkehr in sieben Bundesländern auf.
Am Münchner Flughafen wurde der reguläre Flugbetrieb bereits am Sonntag eingestellt. Verdi hat dort zu Warnstreiks in der Gepäckabfertigung und bei den Sicherheitsdiensten bis Montag aufgerufen. Wegen einer Computerpanne mussten am Samstagabend rund 40 Flüge gestrichen werden. In Frankfurt, vor München der größte deutsche Flughafen, kämpfte die Lufthansa
Warnstreiks in einem Umfang wie am Montag hat es noch nie gegeben. Die beiden Gewerkschaften erhöhen damit den Druck auf die Arbeitgeberseite. Verdi und der Beamtenbund DBB treffen sich am Montag zur dritten Verhandlungsrunde für rund 2,5 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Diensts mit Vertretern von Bund und Kommunen. Beide Seiten sind mit ihren Vorstellungen noch weit voneinander entfernt, eine Einigung in den darauffolgenden Tagen ist aber nicht ausgeschlossen.
Die EVG hatte ihre erste Verhandlungsrunde mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Eisenbahn-Unternehmen am vergangenen Donnerstag beendet. Besonders im Fokus: die Deutsche Bahn. Ein erstes Angebot des bundeseigenen Konzerns hat die Gewerkschaft abgelehnt. Die zweite Verhandlungsrunde beginnt bereits kommende Woche. Mit der Bahn will die EVG in diesem Rahmen aber erst Ende April weiterverhandeln.
Vorher demonstriert die Gewerkschaft an diesem Montag ihr Mobilisierungspotenzial im Eisenbahnsektor. 230 000 Beschäftigte sind zum Warnstreik aufgerufen. Die Bahn hat angekündigt, den gesamten Fernverkehr bundesweit einzustellen. Auch Regional- und S-Bahnzüge fallen größtenteils aus.
Die 24-stündigen Warnstreiks treffen am Montag auch nahezu sämtliche deutsche Flughäfen, nicht aber den Hauptstadtflughafen BER. Der Schifffahrtsverkehr auf Wasserstraßen und Häfen wird ebenso stark eingeschränkt.
Volle Straßen sind auch deshalb zu erwarten, weil Verdi in sieben Bundesländern den öffentlichen Personennahverkehr bestreiken lässt und viele Menschen dann aufs Auto ausweichen dürften. Betroffen sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und weite Teile Bayerns. In zehn Bundesländern wurde am Sonntag das Lkw-Fahrverbot gelockert oder aufgehoben. So konnten manche Transporte um einen Tag vorgezogen werden.
Am Hamburger Hafen verschoben die Lotsenversetzer den Beginn ihres Warnstreiks um zwölf Stunden auf Montag, 6.00 Uhr. Lotsenversetzer sind dafür zuständig, die Lotsen zu den Schiffe zu bringen und wieder abzuholen. Große Schiffe dürfen die Elbe nicht ohne Lotsen befahren.
Der Ton zwischen der EVG und der Bahn hat sich nach der Warnstreik-Ankündigung am vergangenen Donnerstag deutlich verschärft. Personalvorstand Martin Seiler nannte die Aktionen "völlig überzogen, unnötig und unverhältnismäßig". Die Bahn forderte die EVG in einem Brief auf, schnell wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.
Die Verhandlungsführerin der Kommunen, Karin Welge, warf den Gewerkschaften vor, mit den Warnstreiks maßlos zu übertreiben. "Das Streikrecht wird inflationär ausgereizt", sagte die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) der dpa in Berlin. In der dritten Runde solle ein Ergebnis erzielt werden solle. Die Eskalation der Gewerkschaften mache sie daher "ein bisschen sauer", sagte Welge.
Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland blickt nach einer Yougov-Umfrage verständnisvoll auf den ganztägigen Warnstreik. Rund 55 Prozent der Befragten halten den gemeinsamen Ausstand von Verdi und EVG für "eher" oder "voll und ganz" gerechtfertigt. 38 Prozent finden die Aktion "eher nicht" oder "gar nicht" gerechtfertigt, acht Prozent machten keine Angabe. Die Deutsche Presse-Agentur hatte die Umfrage in Auftrag gegeben./bw/maa/DP/he
Quelle: dpa-Afx