GREELEY (dpa-AFX) - Ein Cyberangriff auf den weltgrößten Fleischkonzern JBS hat große Teile der Produktion in Nordamerika und Australien lahmgelegt. Laut Medienberichten wurde unter anderem die Versorgung in den USA schwer getroffen, wo von JBS-Unternehmen rund ein Viertel der Rindfleisch- und ein Fünftel der Schweinefleisch-Produktion komme. In der Nacht zum Mittwoch sprach der brasilianische Konzern von Fortschritten beim Hochfahren der gestoppten Werke in den USA, Australien und Kanada.
"Unsere Systeme gehen wieder online", versicherte der Chef des US-Geschäfts, Andre Nogueira. So sei in Kanada die Rindfleisch-Produktion bereits wieder in Betrieb. Ein Großteil der Fabriken solle im Laufe des Mittwochs wieder anfahren.
Wegen des Hacker-Angriffs mussten fünf der größten Fleischfabriken in den USA vorerst stillgelegt werden, wie US-Medien unter Berufung auf Gewerkschaften und Mitarbeiter berichteten. Vom brasilianischen Konzern selbst gibt es nur wenige Details zu dem Cyberangriff. Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte aber, JBS habe die US-Regierung über eine Attacke mit Erpressungssoftware informiert, als Urheber werde eine kriminelle Gruppe aus Russland vermutet.
Bei solchen Angriffen werden Computer verschlüsselt, und die Angreifer verlangen Geld für die Freigabe. Erst vor wenigen Wochen hatte eine Attacke dieser Art den Betrieb einer der größten Benzin-Pipelines in den USA gestoppt und die Kraftstoffversorgung in dem Land vorübergehend eingeschränkt. Der Betreiber Colonial zahlte Angreifern ein Lösegeld von 4,4 Millionen Dollar (3,6 Mio Euro), wie das Unternehmen einräumte. JBS betonte aber bereits, dass die Backup-Server des Unternehmens nicht betroffen seien und man mit externen Experten daran arbeite, die Systeme daraus wieder herzustellen.
Die Attacke sorgt für neue Spannungen zwischen Washington und Moskau. Die US-Regierung habe Russland klargemacht, dass ein verantwortungsvoller Staat Urheber solcher Attacken nicht beherberge, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses. Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow bestätigte zunächst nur, dass es ein Gespräch zwischen dem US-Außenministerium und der russischen Botschaft in Washington gegeben habe. "Unter diesem Blickwinkel kann man vermutlich davon sprechen, dass die US-Regierung im direkten Kontakt mit der russischen Regierung steht", sagte Rjabkow am Mittwochvormittag laut Nachrichtenagentur Interfax.
Die Holding "J&F Investimentos", zu der JBS gehört, beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 250 000 Menschen und ist in 190 Ländern vertreten. Die Werke in Großbritannien und Mexiko seien von der Attacke nicht betroffen gewesen, teilte JBS mit. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Angreifer an irgendwelche Daten zu Kunden, Zulieferern oder Mitarbeitern gekommen seien. US-Chef Nogueira bedankte sich ausdrücklich beim Weißen Haus, der Bundespolizei FBI und dem amerikanischen Agrarministerium für die Unterstützung. Das Ministerium setzte wegen der Attacke die tägliche Veröffentlichung der Daten zu Großhandels-Fleischpreisen aus.
Attacken mit Erpressungs-Trojanern hatten in den vergangenen Jahren mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Allein 2017 legte im Mai der Erpressungs-Trojaner "WannaCry" neben den Computern vieler Privatleute unter anderem Computer in britischen Krankenhäusern sowie Fahrplan-Anzeigen der Deutschen Bahn lahm. Wenige Wochen später traf die Lösegeld-Software "NotPetya" unter anderem die Reederei Maersk und den Nivea-Hersteller Beiersdorf
Diese Attacken breiteten sich seinerzeit unter anderem deshalb so schnell aus, weil Computer mit älteren Windows-Systemen und nicht geschlossenen Sicherheitslücken für sie ein leichtes Opfer waren. Sie galten deshalb als ein Weckruf für mehr IT-Sicherheit. Dennoch gab es nun erneut mehrere erfolgreiche Angriffe mit Lösegeld-Software.
Mikko Hyppönen von der IT-Sicherheitsfirma F-Secure führt dies unter anderem darauf zurück, dass die Angriffsfläche mit dem digitalen Wandel in allen Branchen immer größer werde. "Wir bringen alles online." Es werde noch dauern, bis diese allgemeine Bewegung ins Netz angemessen abgesichert werde: "Ich denke nicht, dass wir das Schlimmste schon erlebt haben."/so/DP/jha
Quelle: dpa-Afx