PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die zunehmenden Zins- und Rezessionsängste schlagen auch in Europa immer mehr Anleger in die Flucht. Am Montag schloss der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 mit einem Minus von 2,69 Prozent bei 3502,50 Punkten, nachdem er zeitweise den tiefsten Stand seit über drei Monaten erreicht hatte - es war der fünfte Verlusttag in Folge.

Für den französischen Cac 40 ging es letztlich um 2,67 Prozent auf 6022,32 Punkte bergab und der britische FTSE 100 büßte 1,53 Prozent auf 7205,81 Zähler ein. An der US-Technologiebörse Nasdaq fielen die Tagesverluste zum europäischen Handelsende noch heftiger aus.

Marktteilnehmer fürchten, dass die unerwartet hohe Inflation in den USA deren Notenbank (Fed) am Mittwoch zu einem noch deutlicheren Zinsschritten bewegen könnte. Die jüngsten Preisdaten hätten nun die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Währungshüter einen Zinsschritt von 0,75 Punkten vornähmen, sagte Volkswirt Michael Pearce von Capital Economics. Am Freitag hatte das US-Arbeitsministerium für den Mai die höchste Inflationsrate seit über 40 Jahren berichtet.

Zudem habe die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, "letzte Woche einen anderen Ton angeschlagen", ergänzte Marktanalyst Craig Erlam vom Broker Oanda. "Die Zentralbank ist nun äußerst besorgt über die Inflation und weiß, dass sie (…) dringend und aggressiv handeln muss."

Aus Branchensicht gab es in Europa zu Wochenbeginn nur Verlierer. Am härtesten traf es die Besitzer von Luftfahrt-, Auto-, Immobilien- und Technologieaktien: Deren Subindizes im marktbreiten Stoxx Europe 600 büßten zwischen 4,2 und 5,3 Prozent ein.

Dagegen hielten sich die Indizes der als relativ krisensicher geltenden Lebensmittel- und Getränkehersteller sowie der Telekommunikationsunternehmen mit Verlusten von 0,2 beziehungsweise 1,3 Prozent noch am besten.

Unter den Einzelwerten fielen Valneva mit einem Rutsch um rund ein Viertel auf den tiefsten Stand seit fast anderthalb Jahren besonders negativ auf. Am Freitagabend hatte der Impfstoffhersteller angekündigt, den Vertrag mit der Europäischen Kommission zum Verkauf eines Ganzvirus-Impfstoffs gegen Covid-19 eventuell zu kündigen. Grund dafür sei, dass die Kommission aufgrund der verzögerten Zulassung des Vakzins die Liefermenge massiv senken wolle. Dann wäre nicht einmal eine kostendeckende Produktion möglich, hieß es.

Ein Minus von gut 16 Prozent auf 18,10 Euro verzeichneten die Papiere von Just Eat Takeaway.com . Am Freitag waren die Titel des Essenslieferanten nach erneuten Übernahmespekulationen um die US-Tochter Grubhub noch um bis zu zehn Prozent nach oben geschnellt. Nun senkte die Bank of America das Kursziel deutlich von 35 auf 25 Euro. Analyst Adrien de Saint Hilaire sorgt sich um die Komsumbereitschaft der Anleger. Zudem sei ein Verkauf von Grubhub im derzeitigen Umfeld unsicher, und der mögliche Preis liege mit einer bis 1,25 Milliarden Euro unter seinen Erwartungen, heißt es in einer aktuellen Studie.

Die Anteilscheine von Totalenergies reihten sich mit einem Kursrückgang um gut zwei Prozent letztlich im EuroStoxx-Mittelfeld ein und hielten sich besser als die Branche. Das Emirat Katar teilte dem französischen Energiekonzern eine 25-prozentige Beteiligung an einem neuen Flüssiggas-Projekt zu, mit dem das arabische Land seine Exportfähigkeit an Flüssiggas (LNG) erheblich steigern will.

Die Aktien der Online-Apotheken Shop Apotheke und Zur Rose konnten derweil nicht von der Nachricht profitieren, dass am vergangenen Samstag mit 30 000 eingelösten E-Rezepten ein Etappenziel der Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte (Gematik) erreicht worden war: Sie verloren knapp vier beziehungsweise 8,7 Prozent./gl/he

Quelle: dpa-Afx