LUDWIGSHAFEN (dpa-AFX) - Außenministerin Annalena Baerbock hat die Wirtschaft angesichts der Herausforderungen durch China aufgefordert, Deutschland gemeinsam mit der Politik widerstandsfähiger zu machen. "Es braucht gerade in diesen Zeiten, um gemeinsam stark zu sein, ein Vertrauen auch in der Gesellschaft, dass Politik und Wirtschaft nicht gegeneinander arbeiten, sondern zwei Seiten derselben Medaille sind", sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch bei einem Auftritt mit dem Chef des Chemie-Riesen BASF , Martin Brudermüller, in der Konzernzentrale in Ludwigshafen.

Auch Brudermüller machte deutlich, Industrie und Regierung würden die anstehende Transformation im wirtschaftlichen und ökologischen Bereich nur gemeinsam bewältigen. Zwar kritisierte er europäische Regelungswut und forderte klare Rahmenbedingungen für die energieintensive Chemieindustrie. Sein Unternehmen stehe aber zum Ziel, 25 Prozent des CO2-Ausstoßes bis 2030 abzubauen. "Wir wissen, wie es geht und wir können es. Aber wir können es nicht alleine, sondern wir brauchen den intensiven Dialog mit der Politik und auch mit der Gesellschaft, was die Rahmenbedingungen dafür sind."

Baerbock: Ausfallgarantien für Risikoinvestitionen werden gedeckelt

Baerbock antwortete auf die Frage nach einer Bewertung der geplanten Milliarden-Investitionen von BASF in China zurückhaltend: "Ich bin Politikerin und keine Unternehmerin" - das unternehmerische Risiko trügen die Unternehmen selbst.

Die Bundesregierung habe in ihrer China-Strategie deutlich gemacht, "dass der Staat für risikobehaftete Investitionen nicht unendlich das Risiko tragen könne, erinnerte Baerbock. Daher würden Ausfallgarantien für Auslandsinvestitionen in Zukunft pro Land und Unternehmen auf drei Milliarden Euro gedeckelt. So solle verhindert werden, dass die Haftung komplett auf die Allgemeinheit übergehe. "Wie weit Unternehmen dann daraus Schlüsse für sich ziehen, das ist Aufgabe von Unternehmen, das ist die freie Marktwirtschaft."

In der südchinesischen Provinz Guangdong baut BASF einen riesigen neuen Verbund-Standort - es soll der drittgrößte des Unternehmens werden und bereits der zweite dieser Art in China. Dafür investiert BASF rund zehn Milliarden Euro bis 2030.

BASF-Chef: Chancen überwiegen in China Risiken

Brudermüller verteidigte die geplanten Investitionen in China. Das Land mache etwa 50 Prozent des Weltchemiemarktes aus - Europa nur noch 17 Prozent. Hinzu kämen wirtschaftliche Schwierigkeiten, durch die man fast 25 Prozent des Produktionsvolumens in Europa verloren habe, sagte er auch angesichts der durch den russischen Krieg gestiegenen Gas- und Strompreise. In der Abwägung sei man zum Schluss gekommen, "dass die Chancen in China die Risiken überwiegen". Das in China zu verdienende Geld werde dabei helfen, Milliardeninvestitionen im Rahmen der grünen Transformation zu schultern.

China-Strategie und Wirtschaft

Knapp eine Woche nach der Vorstellung der China-Strategie der Bundesregierung hatte die Außenministerin zuvor im Rahmen ihrer Sommerreise unter dem Motto "Gemeinsam stark" zur Widerstandsfähigkeit Deutschlands in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt/Main Vertreter großer deutscher Geldhäuser getroffen.

Die Ampel-Regierung will wirtschaftliche Abhängigkeiten von China verringern, jedoch keinen grundlegenden Kurswechsel. "Die Bundesregierung strebt keine Entkoppelung von China an", heißt es in der Strategie. Die Regierung erwarte, dass die Unternehmen sich im Rahmen der Risikomanagement-Prozesse konkret mit chinabezogenen Entwicklungen und Risiken auseinandersetzen.

Zentrale der Deutschen Bank

In der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt/Main hatte Baerbock den Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing, die stellvertretende Vorstandschefin der Commerzbank , Bettina Orlopp, die Sprecherin des Vorstands der Unicredit -Hypovereinsbank, Marion Höllinger, und Bankenverband-Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff getroffen. Laut Auswärtigem Amt ging es unter anderem um die Chancen und Herausforderungen des wachsenden asiatischen Marktes und der Globalisierung sowie um Formen der Klimafinanzierung.

Die Deutsche Bank hatte ausweislich des jüngsten Geschäftsberichts Ende 2022 ein Engagement von 6,1 Milliarden Euro oder ein Prozent des Gesamtkreditbuchs in China. In einer Rede Anfang September hatte Sewing gesagt, China bleibe ein wichtiger Wachstumsmarkt und Investitionsziel für viele Kunden, insbesondere in den Industrien Automobil, grüne Energie, "New Economy", Chemie und Pharma.

Geothermie-Projekt

In Bruchsal besichtigte Baerbock ein Geothermie-Projekt, bei dem auch Lithium gewonnen wird. Dass nachhaltige Energiegewinnung und die Unabhängigkeit von Rohstoff-Importen zentrale sicherheitspolitische Anliegen seien, sei nicht zuletzt seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine klar, erklärte das Außenministerium zu dem Besuch./bk/ben/wo/DP/he

Quelle: dpa-Afx