HANNOVER (dpa-AFX) - Tui
Die Vereinbarungen bei Tui mit freiwilligem Ausscheiden bedeuteten für die Betriebsräte "eine sehr schwierige Verhandlungsposition": "Auf der einen Seite gibt es die wirtschaftliche Realität einer hoch verschuldeten Tui. Auf der anderen Seite geht es darum, möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern", erklärte Jakobi. Dabei wisse man noch nicht, wie sich der Bund als neuer Großaktionär positioniere.
Auch die Verhandlungen über Einsparungen bei Tuifly seien alles andere als leicht. "Tuifly befasst sich schon lange mit der Frage: Was ist die ideale Flottengröße?" Die vom Aufsichtsrat beschlossene Reduzierung in Deutschland auf 17 Jets hätten externe Berater bereits vor der Corona-Krise empfohlen. So solle eine optimale Auslastung im Sommer und im buchungsschwachen Winter mit dieser Zahl möglich sein.
"Ein Flugzeug, das nicht fliegt, verursacht sehr hohe Kosten - auch mit Blick auf die Ausgaben für Leasing oder Personal", räumte Jakobi ein. Die Gefahr teurer Überkapazitäten bleibe vorerst allerdings hoch. Nach der Insolvenz von Air Berlin 2017 hätten viele Beobachter zunächst gedacht, dass überschüssige Maschinen verschwinden. "Aber sie blieben im Markt", erklärte Jakobi. "Und nach Corona werden viele Carrier feststellen, dass sie im Liniengeschäft wohl nie wieder so große Kapazitäten brauchen - das Geschäft mit den Geschäftsreisenden kommt wahrscheinlich nicht im alten Umfang zurück."
So könne für Tui und Tuifly durch die Lufthansa
"Als Marktteilnehmer muss Tuifly sich diesen Herausforderungen stellen", sagte Jakobi. Um den Beschäftigten Sicherheit zu geben, hat der Konzernbetriebsrat einen zweijährigen Kündigungsschutz für alle in Deutschland Beschäftigten bis Dezember 2021 vereinbart. Nun wolle das Management aber bestimmte Bereiche der Airline international aufstellen. "Das kann bedeuten, dass deutsche Arbeitsplätze innerhalb der Tui ins Ausland abwandern. An dieser Stelle müssen wir als europäische Betriebsräte aufpassen, dass Beschäftigte nicht auf internationaler Ebene gegeneinander ausgespielt werden."
Der pandemiebedingte Einbruch machte 2020 auch vielen niedergelassenen Reisebüros zu schaffen. Jakobi, der selbst aus dem Bereich kommt, sieht Perspektiven für das stationäre Geschäft - sofern es gelingt, Verbrauchern einen Mehrwert zu bieten. "Wir haben schon länger einen starken Trend zu Dotcom-Angeboten", sagte er zur Digitalisierung der Sparte, die Tui-Chef Fritz Joussen schon vor Corona vorangetrieben hatte. "Das wird aber nicht dazu führen, dass wir keine stationären Reisebüros mehr in Deutschland haben."
Etliche Betreiber der branchenweit rund 8000 Büros im Land bangen um ihre Existenz. Einige externe Partner hatten Tui für die Annahme der Staatshilfen scharf kritisiert und gewarnt, so werde letztlich der Wettbewerb verzerrt. Hierauf ging Jakobi nicht näher ein. Bei den allgemeinen Chancen zog er Parallelen zum Einzelhandel: "Es gibt trotz Online-Konkurrenz ja weiter tolle Buchläden - aber viele haben ihr Angebot eben auch ausgeweitet, sich geöffnet für neue Produkte. Ich denke, das ist der Schlüssel für das, was auf die Reisebüros zukommt." Und auch das Kreuzfahrtgeschäft werde wiederkommen.
Kunden buchten immer öfter online. "Wenn sie dann aber bestimmte Fragen haben, gehen sie auch wieder ins Reisebüro. Künftig können wir die Kunden dort also zusätzlich beraten, Buchungen generieren und weitere Services anbieten. Alle Kanäle werden miteinander kommunizieren und immer stärker verschmelzen." Persönliche Kontakte sicherten zudem das Vertrauen: "Viele Kunden wünschen sich kompetente Ansprechpartner vor Ort, da reicht eine Dotcom-Seite nicht."
Pauschalen Filialabbau werde es mit ihm nicht geben, stellte Jakobi klar. Im Herbst hatte die Tui-Deutschland-Spitze erklärt, 60 der 400 eigenen Reisebüros im Land schließen zu wollen. "Natürlich kann Tui es sich nicht leisten, Vertretungen mit dauerhaft roten Zahlen über viele Jahre zu subventionieren", sagte er. "Aber vor der Schließung gibt es noch andere Möglichkeiten, einen Standort wirtschaftlich zu drehen. Den Vorstellungen des Managements zu fantasielosem Handeln haben wir vehement widersprochen. Wir kämpfen um jedes Büro und jeden Arbeitsplatz." In diesen Tagen wird weiterverhandelt./jap/DP/jha
Quelle: dpa-Afx