BERLIN (dpa-AFX) - Private Gasnutzer sollten wegen der hohen Preise nach Ansicht der Bundesnetzagentur schon jetzt höhere monatliche Abschläge auf ihren Verbrauch zahlen. "Viele Haushalte werden erst bei der Heizabrechnung im nächsten Jahr bemerken, wie stark der Preis gestiegen ist und die Nachzahlungen nicht stemmen können", sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Verbraucher dürften nicht zu spät mit den steigenden Kosten konfrontiert werden.
Experten rechnen damit, dass der Krieg in der Ukraine Rohstoffe wie Gas, Öl, aber auch Weizen dauerhaft verteuern wird. "Angesichts aller Unsicherheiten, die der Beginn des laufenden Jahrzehnts mit sich bringt, ist eines klar: Wir erleben das Ende einer Ära billiger Rohstoffe", sagte der Chef des luxemburgischen Rohstoffkonzerns Eurasian Resources Group (ERG), Benedikt Sobotka, der Deutschen Presse-Agentur. Die internationalen Sanktionen trügen zu einem beispiellosen Preisanstieg bei.
Sobotka nannte die Kosten für Weizen, Düngemittel, Rohöl, Erdgas, Aluminium und Kupfer. "In den kommenden Monaten werden viele wichtige Elemente unseres täglichen Lebens tendenziell teurer - von Brot und Kaffee über Computer und Autos bis hin zu Baumaterialien, Häusern und der Art und Weise, wie wir unsere Haushalte mit Strom versorgen."
Die Grünen werben weiter für Energieeinsparungen, damit Deutschland schneller auf russisches Gas verzichten kann. "Und weil es ansonsten kaum Maßnahmen gibt, die schnell wirken, brauchen wir jetzt ein temporäres Tempolimit auf Autobahnen - zum Beispiel für neun Monate und damit bis zum Ende des Jahres, also dem Zeitpunkt, zu dem wir spätestens unabhängig von russischem Öl werden wollen", sagte Parteichefin Ricarda Lang dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ihr Koalitionspartner FDP lehnt ein Tempolimit weiterhin ab. Müller warb dafür, im Umgang mit Gasknappheit nicht allein auf Verzichtsappelle zu setzen. Preissignale, wie etwa höhere Abschläge seien wirksamer.
Erste öffentliche Schwimmbäder senken bereits die Wassertemperatur, wie die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte. Sollte Russland seine Gaslieferungen kappen, könnten städtische Bäder auch geschlossen werden. In niederländischen Behörden wird die Heizung um zwei Grad Celsius nach unten geregelt. Bürger sind aufgerufen, zu Hause höchstens auf 19 Grad zu heizen. "Ziehen Sie eine warme Jacke oder einen warmen Pullover, Socken und Hausschuhe an", wird geraten. Wer daheim aktiv sei, könne den Thermostat noch ein Grad niedriger drehen.
Auch Unternehmen bereiten sich darauf vor, dass das Gas knapp werden könnte. "Wir würden im Fall eines Embargos zunächst auf ölbasierte Treibstoffe und Stromgeneratoren umsteigen. Und wir hoffen, dass wir mit den nötigen Lieferungen unser Geschäft weiter betreiben können", sagte die Chefin des Pharmakonzerns Merck, Belén Garijo, der "Welt am Sonntag". Um die Energieversorgung längerfristig auf Alternativen umzustellen, benötige die Industrie Zeit.
Die Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp
Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie warnten für den Fall eines Lieferstopps vor einer Benachteiligung ihrer Branche. "Niemandem wäre damit gedient, wenn die Menschen bei 24 Grad zu Hause in der Wohnung sitzen, aber die Unternehmen, in denen sie arbeiten, zusammenbrechen", sagte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf der "Augsburger Allgemeinen". Die Industrie sei "Schlagader unseres Wohlstands und von Arbeitsplätzen".
Derzeit pumpt der russische Staatskonzern Gazprom
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte angewiesen, Gas an westliche Staaten nur noch gegen Rubel zu verkaufen, was diese strikt ablehnen. Daraufhin erließ Putin ein Dekret, das westliche Kunden seit Freitag verpflichtet, ein Rubelkonto bei der Gazprombank zu eröffnen und die Zahlungen darüber abzuwickeln. So will Russland seine Währung stützen, aber auch sicherstellen, dass das eingezahlte Geld tatsächlich ankommt. Bisher konnten die Zahlungen auch über andere Konten laufen. Putin hatte Deutschland und anderen Ländern mit einem Lieferstopp gedroht, falls die Zahlungen ausbleiben./tam/DP/nas
Quelle: dpa-Afx