HAMBURG (dpa-AFX) - Ausgebaggert ist die tiefer gelegte Elbe schon seit dem vorigen Jahr - nun dürfen ein- und auslaufende Schiffe auch die damit zur Verfügung stehenden Tiefgänge voll ausschöpfen. Nach einer ersten Teilfreigabe im Mai 2021 gibt es grünes Licht für die zweite Freigabestufe, wie die Hamburger Wirtschaftsbehörde und die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mitteilten. Für Hamburgs Hafen, der unter Konkurrenzdruck der größeren Rivalen Rotterdam und Antwerpen steht, ist das ein "Meilenstein", wie Wirtschaftssenator Michael Westhagemann am Montag hervorhob.
Umweltverbände bleiben indes bei ihrer Kritik: Die Vertiefung und die auf Dauer nötigen Baggerarbeiten schädigten das Ökosystem Elbe. Weil bislang kaum ein Schiff die neuerdings möglichen Tiefgänge tatsächlich genutzt habe, sei die Elbvertiefung zudem schlicht überflüssig, kritisieren die im Bündnis Lebendige Tideelbe zusammengeschlossenen Verbände BUND, Nabu und WWF. "Die Stadt Hamburg hat sich mit der Elbvertiefung gnadenlos verkalkuliert", lautet ihr Fazit.
Der rund 130 Kilometer lange Abschnitt der Elbe zwischen Hamburg und der Nordsee zählt zu den wichtigsten Wasserstraßen Deutschlands. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Fluss dort sechsmal den Anforderungen der Schifffahrt angepasst, zuletzt 1999. Diesmal wurde er so ausgebaggert, dass auf ihm Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Meter unabhängig von Ebbe und Flut fahren können. Tideabhängig soll die Elbe für Schiffe mit einem Tiefgang von maximal 14,50 Metern passierbar sein. Der Vorteil zum Zustand zuvor wird mit 1,00 bis 1,90 Metern angegeben. Seit der ersten Teilfreigabe im vorigen Mai war zunächst etwa nur die Hälfte davon möglich.
In der Containerschifffahrt geht der Trend seit vielen Jahren zu immer größeren Schiffen. Die äußeren Maße der derzeit größten Containerriesen der Megamax-Klasse - rund 400 Meter lang und 61 Meter breit - verändern sich zwar schon seit Jahren nicht mehr, doch tragen sie immer mehr Container; dementsprechend mehr Gewicht und Tiefgang haben sie bei voller Beladung. Das zurzeit weltgrößte Containerschiff "Ever Ace" kann um die 24 000 Standardcontainer (TEU) laden. "Die Fahrrinnenanpassung ist das Schlüsselprojekt, wenn wir in der Weltliga der Häfen mitspielen wollen", hatte der Chef der Hafenbehörde HPA, Jens Meier, während der Vertiefungsarbeiten gesagt.
Um die Elbe und Hamburgs Hafen für die Containerriesen attraktiver zu machen, war die Fahrrinne der Elbe zudem zwischen Wedel und Blankenese auf acht Kilometern verbreitert worden, um eine sogenannte Begegnungsbox zu schaffen. Sie soll für einen besseren Verkehrsfluss auf der Schifffahrtsstraße sorgen, denn dort können nun Seeschiffe bis zu einer addierten Schiffsbreite von 104 Metern nautisch sicher aneinander vorbeifahren. Vorher waren es 90 Meter gewesen.
Neben dem ökonomischen Nutzen für Hafen und Reedereien hob der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Hans-Heinrich Witte, am Montag auch einen "ökologischen Mehrwert" der tieferen Elbe hervor: "Denn mehr Tiefe bedeutet eine bessere Auslastung der Schiffe und führt damit zu weniger Emissionen pro transportierter Tonne."
Für die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF sind die vorgetragenen Vorteile der Elbvertiefung indes "Augenwischerei". Die freigegebene Tiefe sei aufgrund der fortwährenden Verschlickung gar nicht vollständig nutzbar, argumentieren sie. "Das Ökosystem Elbe wurde für die Vertiefung verraten und verkauft." Was Wirtschaftsbehörde und Wasserstraßendirektion "planmäßige Unterhaltungsarbeiten" nennen, um die Fahrrinne auf Tiefe zu halten, bedeutet nämlich, dass Schlick ausgebaggert werden muss, der im Wechselspiel von Ebbe und Flut ständig wieder eingetragen wird. "Diese Unterhaltungsbaggerungen schädigen fortlaufend das Ökosystem und kosten die Steuerzahler bereits jetzt jedes Jahr 120 Millionen Euro", kritisieren die Verbände.
Sie waren schon kurz vor Weihnachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Elbvertiefung zumindest bislang weitgehend überflüssig gewesen sei. Sie bezogen sich auf die Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft. Demnach haben im Zeitraum vom 3. Mai bis zum 9. Dezember 4682 Seeschiffe den größten deutschen Seehafen angelaufen, 2183 davon Containerschiffe. "Bei 612 Containerschiffen handelte es sich um Großcontainerschiffe mit einem Konstruktionstiefgang von mehr als 13,80 Meter, die mithin auf die durch den Fahrrinnenausbau gewonnenen Tiefgangsverbesserungen angewiesen sind", heißt es in der Antwort des Senats auf Grundlage von Auskünften der Hafenbehörde. Allerdings hätten lediglich 87 Containerschiffe bei Ankunft oder Abfahrt tatsächlich einen Tiefgang gehabt, der den früheren maximal zulässigen Tiefgang vor der Fahrrinnenanpassung überstiegen hätte./kf/DP/stw
Quelle: dpa-Afx