BERLIN (dpa-AFX) - Vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim russischen Präsidenten Wladimir Putin hat die Bundesregierung ihre Kritik am Vorgehen Moskaus gegen den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny erneuert. "Dieser immer noch ungelöste Fall ist eine schwere Belastung des Verhältnisses zu Russland", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Zu einer endgültigen Lösung im Streit über die Ostsee-Erdgaspipeline während der Reisen der Kanzlerin nach Moskau an diesem Freitag und in die ukrainische Hauptstadt Kiew an diesem Sonntag äußerte sich Seibert zurückhaltend.
Merkel trifft Putin am Jahrestag des Giftanschlags auf Nawalny. Die deutschen Forderungen im Zusammenhang mit dem Fall stünden weiterhin ungelöst im Raum, kritisierte Seibert. Nawalny sei zu Unrecht in einem Straflager inhaftiert, gegen ihn werde eine neue Anklage erhoben. All das seien belastende Punkte im deutsch-russischen Verhältnis.
Der mit dem Nervengift Nowitschok beinahe getötete Nawalny ist seit gut acht Monaten in Haft. Nach dem Anschlag war er in Berlin ärztlich behandelt worden. Der 45-Jährige ist bisher damit gescheitert, nach dem Mordanschlag vom 20. August 2020 in der sibirischen Stadt Tomsk Ermittlungen in Russland zu erwirken. Die dortigen Behörden sehen kein Verbrechen. Der Oppositionelle hält ein Killerkommando des russischen Inlandsgeheimdiensts FSB unter Befehl Putins für die Täter.
Seibert sagte, bei Merkels Gespräch mit Putin werde es um die großen internationalen Fragen wie die Lage in Afghanistan gehen sowie um den Konflikt in der Ostukraine, "zu dessen Lösung, Beilegung Russland sehr viel mehr tun könnte, als es tut". Auch die Situation in Belarus, wo ein Diktator in schlimmster Weise gegen seine eigene Bevölkerung vorgehe und auf den die russische Führung Einfluss habe, werde Thema sein. Merkel war zuletzt im Januar 2020 in Moskau.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte Ende Mai angekündigt, dass Minsk Migranten nicht mehr an der Weiterreise in die EU hindern werde - als Reaktion auf verschärfte westliche Sanktionen gegen die vom Westen isolierte Ex-Sowjetrepublik. Seitdem kämpft vor allem Litauen mit einem verstärkten Andrang von Migranten aus dem Nahen Osten über die Grenze zu Belarus.
Zum Streit über Nord Stream 2 betonte Seibert: "Für uns ist zentral, dass die Ukraine auch mit Nord Stream 2 Transitland für russisches Gas ist und bleiben muss." Die Bundesregierung nehme die ukrainischen Sorgen sehr ernst und werde sich auch in Zukunft für einen Gastransit einsetzen. Man werde gegenüber Russland die Position vertreten, dass der 2024 auslaufende Gasvertrag verlängert werden solle.
Auf Nachfrage sagte Seibert mit Blick auf die Treffen Merkels mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj: "Ich erwarte nicht einen Schlusspunkt unter die Bedenken oder die Sorgen, die die Ukraine beispielsweise mit dem Thema Nord Stream 2 verbindet und immer wieder geäußert hat." Die ukrainische Führung kenne aber auch die deutsche Position. Sie wisse, wie sich die Bundesregierung für den Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine entscheidend mit eingesetzt habe. Deutschland hatte der Ukraine Kompensationen für zu erwartende Einnahmeverluste der Ex-Sowjetrepublik aus dem wegfallenden Transit von russischem Erdgas in Aussicht gestellt.
In Kiew werde Merkel wie zuvor in Moskau einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten niederlegen, kündigte Seibert an. In Kiew werde sie zudem der Toten der proeuropäischen Revolution 2014 auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) gedenken. Der Kanzlerin werde von Selenskyj den "Orden der Freiheit" erhalten. Zudem werde es ein Treffen mit Ministerpräsident Denys Schmyhal geben./bk/DP/stw
Quelle: dpa-Afx