FRANKFURT (dpa-AFX) - Nach einem Milliardenverlust im Corona-Jahr 2020 will sich die teilverstaatlichte Commerzbank mit weiteren harten Einschnitten fit machen für eine erfolgreichere Zukunft. Weltweit werden 10 000 Vollzeitstellen gestrichen, in Deutschland halbiert das Institut die Zahl seiner Filialen von 790 auf 450. Der Aufsichtsrat des Frankfurter MDax-Konzerns billigte am Mittwoch in einer Sondersitzung mehrheitlich die Sparpläne des Vorstands bis 2024.

"Die vom Vorstand vorgeschlagene Strategie wird vom Aufsichtsrat inhaltlich und fachlich mitgetragen und die Umsetzung konstruktiv begleitet", teilte die Bank am Abend mit. Die Eckpunkte der Pläne hatte die Commerzbank schon am vergangenen Donnerstag veröffentlicht.

Der seit Jahresbeginn amtierende Vorstandschef Manfred Knof will die Bank wieder profitabler machen. Das Geschäftsjahr 2020 endete wie erwartet tiefrot: Nach vorläufigen Zahlen liege der Konzernverlust bei knapp 2,9 Milliarden Euro, teilte die Bank mit. An der Börse wurde die Bestätigung der Einschnitte und die Höhe des Jahresverlusts mit Enttäuschung aufgenommen - die Aktie lag am Donnerstagvormittag mit einem Minus von fast vier Prozent am MDax-Ende.

In dem 2020er-Verlust seien 800 Millionen der insgesamt 1,8 Milliarden Euro Aufwendungen für den Konzernumbau enthalten. Belastet wird das Jahresergebnis 2020 zudem dadurch, dass das Institut 1,5 Milliarden Euro abschreibt, weil sich übernommene Geschäfte der Dresdner Bank und der polnischen MBank nicht so gut entwickelten wie seinerzeit erhofft. Die Details zur Bilanz veröffentlicht die Bank am 11. Februar.

In Deutschland ist nach bisherigen Angaben der Bank jeder dritte Arbeitsplatz von den Kürzungen betroffen. Knof hat versichert, das Management werde alles dafür tun, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Die Gewerkschaft Verdi mahnte jedoch nach Bekanntwerden der Pläne mehr Zeit zur Umsetzung des Stellenabbaus an. In der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch äußerten sich die anwesenden Gewerkschaftsvertreter dem Vernehmen nach entsprechend kritisch.

Um die Verhandlungen zum Personalabbau "zügig und mit der gebotenen Fairness und Transparenz voranzutreiben", schloss der Vorstand am Mittwoch eine Regelungsabrede mit dem Gesamtbetriebsrat der Commerzbank AG. "Ziel ist es, für frühestmögliche Klarheit und Transparenz über Betroffenheiten, Zeitabläufe und Perspektiven zu sorgen." Es werde angestrebt, "bis zur Hauptversammlung am 5. Mai 2021 die notwendigen Rahmenregelungen - Rahmen-Interessenausgleich und Rahmen-Sozialplan - mit dem Gesamtbetriebsrat abzuschließen."

Ende September vergangenen Jahres zählt der Konzern noch gut 39 600 Vollzeitstellen. In Mitarbeitern gerechnet waren es 47 912, davon 33 739 in Deutschland. Kurz nach Weihnachten hatten sich Management und Betriebsräte bereits auf den Abbau von 2300 Vollzeitstellen geeinigt.

Im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern hielt die Commerzbank lange an einem dichten Filialnetz in Deutschland fest. Nun gibt die Bank weitere 340 Standorte auf. 200 Filialen, die während der Pandemie geschlossen waren, hatte die Bank erst gar nicht wieder geöffnet.

Zugleich kündigte der Vorstand an, Geschäftsprozesse "konsequent und durchgängig" zu digitalisieren und zu automatisieren. Gemeinsam mit der Online-Tochter Comdirect, die gerade integriert wird, soll die Digitalisierung der Angebote vorangetrieben werden. 1,7 Milliarden Euro werden in die IT investiert. Die Kosten im Konzern sollen bis 2024 um 1,4 Milliarden Euro verglichen mit dem Jahr 2020 sinken.

Der zuvor im Privatkundengeschäft der Deutschen Bank tätige langjährige Allianz-Manager Knof hatte zum 1. Januar die Führung der Commerzbank übernommen. Sein Vorgänger Martin Zielke war nach Kritik von Investoren zurückgetreten, auch die Spitze des Aufsichtsrates wurde mit dem Ex-Landesbanker Hans-Jörg Vetter neu besetzt. Zielke hatte eingeräumt, dass die im Herbst 2019 unter der Überschrift "Commerzbank 5.0" beschlossenen Maßnahmen nicht durchschlagend genug waren, um die Bank im Zinstief profitabler zu machen.

Nach Personalrochaden und unklarem Kurs ist die Stimmung in der Belegschaft der Bank am Boden, wie die jüngste Mitarbeiter-Umfrage "Pulse Check 2020" belegt. Nur ein Fünftel der Befragten schaut optimistisch auf die Zukunft der Bank. Die Erhebung fand im Zeitraum 27. November bis 11. Dezember statt, also vor dem Chefwechsel. Zuvor hatte das "Handelsblatt" über die Umfrage berichtet, an der sich 57 Prozent der AG-Mitarbeiter beteiligten. "Die Befragung macht deutlich, dass die Mitarbeiter sich schnell Klarheit wünschen, wie es weitergeht", stellte Personalchefin Sabine Schmittroth fest.

Zielkes Nachfolger Knof hat den Umbau zur Chefsache erklärt. Knof sieht den Umbau als "Chance, die Zukunft der Commerzbank selbst zu gestalten und eigenständig zu bleiben". Am Mittwoch bekräftigte der neue Konzernchef: "Die geplanten Einschnitte sind sehr schmerzhaft. Wir werden diesen Weg mit aller Konsequenz gehen, aber fair und in gegenseitigem Respekt."

Die Commerzbank-Aktie, die seit Jahren zu den größten Verlierern unter den deutschen Standardwerten zählt, sackte um bis zu vier Prozent auf 5,42 Euro ab. Damit kostet sie zwar fast doppelt so viel wie zum Höhepunkt des Corona-Crashs im vergangenen März, aber immer noch fast ein Fünftel unter dem Niveau, das die Aktie vor dem Ausbruch der Pandemie in Europa innehatte. Damit zählt das Papier zu den Corona-Verlierern am Finanzmarkt.

Der längerfristige Blick ist noch ernüchternder. Auf Zehn-Jahres-Sicht beträgt das Kursminus 84 Prozent und auf zwanzig Jahre gesehen sogar auf 97 Prozent. Wegen des Kursverfalls flog die Aktie im September 2018 aus dem Dax und nimmt mit einem Börsenwert von knapp sieben Milliarden Euro auch im MDax nur einen Platz im Mittelfeld ein. Die Commerzbank ist seit der Finanzkrise teilverstaatlicht. Aktuell hält der Bund noch knapp 16 Prozent der Anteile./ben/DP/he/zb/fba

Quelle: dpa-Afx