MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Skandal machte 2018 Schlagzeilen: Damals wurde bekannt, dass viele Mittel gegen Bluthochdruck, die auf dem Wirkstoff Valsartan basieren, mit dem potenziell krebserregenden Stoff N-Nitrosodimethylamin (NDMA) verunreinigt sind. Einige Chargen wurden zurückgerufen. Der Ausgangs-Wirkstoff für die damals vom Markt genommenen Arzneimittel kam von einem chinesischen Produzenten.
Rund vier Jahre danach wird dieser Pharma-Skandal an diesem Donnerstag (13 Uhr) ein Fall für die nächste Justiz-Instanz: Ein Mann klagt vor dem Oberlandesgericht (OLG) München gegen ein Pharma-Unternehmen, das den Wirkstoff Valsartan in den Jahren 2012 bis 2018 von eben jener chinesischen Firma bezogen hatte.
Der Kläger hatte das Mittel gegen Bluthochdruck eingenommen, später wurde ein Tumor bei ihm diagnostiziert. Er geht davon aus, dass das Medikament diesen Tumor verursacht hat, und klagt auf Auskunft und Schmerzensgeld (Az. 1 U 8137/21).
Das Landgericht München I hatte seiner Forderung nach Auskunft im vergangenen Jahr stattgegeben - allerdings nur zum Teil (23 O 8725/20 vom 19.10.2021). Er und auch das beklagte Pharmaunternehmen legten Berufung gegen das Urteil ein, darum kommt es nun zur Verhandlung in der nächsten Instanz.
Eine Untersuchung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK war im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass es wegen des verunreinigten Wirkstoffs kein insgesamt erhöhtes Krebsrisiko gebe. Weder für eine dreijährige Langzeitanwendung noch in Abhängigkeit der Dosierung sei ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt festgestellt worden.
Bei der Analyse speziell von Leberkrebs nach Verschreibung von dem verunreinigten Valsartan ergab die Studie jedoch ein statistisch signifikantes, wenngleich auch gering erhöhtes Risiko. Eine direkte Kausalität lasse sich daraus jedoch nicht ableiten und solle weiter erforscht werden, schrieb das BfArM.
Leberkrebs sei die wahrscheinlichste Krebsart nach der Aufnahme von NDMA. Besondere Faktoren wie Rauchen, Ernährungsgewohnheiten oder genetische Prädisposition seien jedoch nicht in die Studie eingeflossen.
Für die Untersuchung hatten die Wissenschaftler Daten von 780 871 AOK-Versicherten ausgewertet, die Anfang 2012 mindestens 40 Jahre alt waren und zwischen 2012 und 2017 mindestens ein Rezept für ein Arzneimittel mit Valsartan eingelöst hatten. Einige der Mittel waren mit NDMA verunreinigt gewesen, andere nicht. Mittel- und langfristige Krebsrisiken konnten laut BfArM aufgrund des begrenzten Beobachtungszeitraums noch nicht untersucht werden.
Der Valsartan-Skandal hat die Kontrollmechanismen für Arzneimittel verschärft, wie das BfArM mitteilte: "Die Herstellungsprozesse wurden umfänglich untersucht", betonte das Institut. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) legte in Folge des Skandals neue Grenzwerte fest. Die pharmazeutischen Unternehmer müssen nach BfArM-Angaben seitdem gezielt alle möglichen Maßnahmen in ihren Herstellungsprozessen ergreifen, um Verunreinigungen zu vermeiden./bsj/DP/zb
Quelle: dpa-Afx