STUTTGART (dpa-AFX) - Beim Batteriekonzern Varta haben sich zuletzt die schlechten Nachrichten gehäuft. Beobachter konnten miterleben, wie der Konzern immer weiter in die Krise rutscht. Bereits seit Sommer gibt es einen Plan, wie Varta saniert werden soll. Dieser hat nun eine wichtige Hürde genommen. Ein Überblick über die Krise bei Varta - und wie es um die Zukunft des Traditionsunternehmens bestellt ist:

Der Aufstieg

Vor der Krise sah bei dem Batteriekonzern mit Sitz in schwäbischen Ellwangen alles nach Erfolgsgeschichte aus: 2017 brachte Mehrheitseigner Michael Tojner das Unternehmen an die Börse. Mit Erfolg. Getrieben wurde die Entwicklung vor allem von der rasant steigenden Nachfrage nach wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Batterien - zum Beispiel für kabellose Kopfhörer und Smartwatches. 2019 kaufte Varta den Geschäftsbereich Haushaltsbatterien zurück. Innerhalb weniger Jahre vervierfachte sich der Erlös nahezu. Um die Produktion zu erweitern, wurden Millionen investiert - und Schulden aufgenommen.

Erste Risse im Bild

Zu kriseln begann es im Jahr 2022: Varta hatte sich offenkundig zu sehr von einem seiner Hauptkunden - Apple - abhängig gemacht. Das US-Unternehmen hatte die Batterien damals in seinen kabellosen Ohrhörern verbaut. Als sich Apple einen weiteren Zulieferer suchte, geriet das Geschäft unter Druck. Der damalige Varta-Chef Herbert Schein kassierte die Umsatz- und Gewinnziele - und trat wenig später zurück. In der Zeit danach versetzte die weltweite Wirtschaftsflaute und die hohe Inflation der Unterhaltungselektronik einen Schlag, die Nachfrage sank. Hinzu kamen Konkurrenz aus Fernost und Lieferketten-Probleme. Auch ein Ausflug ins Geschäft mit E-Auto-Batterien brachte keinen Erfolg.

Der große Knall

Varta schlitterte in der Folge immer weiter in die Krise. Beschäftigte mussten in Kurzarbeit, später wurden Hunderte Stellen gestrichen. Zu allem Überfluss legte ein Hackerangriff im Frühjahr die Produktion an den deutschen Standorten lahm. Kritiker machen hauptsächlich Managementfehler für die Misere verantwortlich. Auch Tojner gab sich selbstkritisch: "Wir haben die Latte zu hoch gelegt. Wir haben verschiedene Projekte gestartet, groß investiert, die Produktion ausgebaut." Es sei zu viel Geld zu leichtfertig investiert worden. Bis der Absturz gekommen sei - wegen mangelnder Risikoeinschätzung und Überlastung. Um die Pleite zu verhindern, melde Varta im Juli ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren an.

Das Sanierungskonzept

Im Sommer einigte sich der Konzern mit wichtigen Gläubigern auf ein Sanierungskonzept. Das Konzept sieht im Wesentlichen zwei Schritte vor: Zum einen sollen ein Schuldenschnitt und die Verlängerung von Krediten die Verbindlichkeiten von fast einer halben Milliarde Euro auf 230 Millionen Euro verringern. Außerdem soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt werden. Der Effekt: Die Aktionäre scheiden ohne Kompensation aus, und der Konzern verliert seine Börsennotierung.

Im Anschluss sollen wieder Aktien ausgegeben werden - allerdings nur an eine Gesellschaft Tojners und den Sportwagenbauer Porsche. Beide lassen sich das jeweils 30 Millionen Euro kosten. Von den Gläubigern kommen 60 Millionen als Darlehen.

Was am Montag geschah

Die Sanierung läuft nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ab. Dieses sieht einen Termin vor, an dem das Sanierungskonzept vorgestellt und mit Gläubigern wie Banken sowie den Aktionären diskutiert wird. Eine Mehrheit der von der Restrukturierung betroffenen Gruppen stimmte im Anschluss für den Plan, wie Varta mitteilte. Einen entsprechenden Planbestätigungsbeschluss des zuständigen Amtsgerichts in Stuttgart erwarte man noch in diesem Jahr. Die weitere Umsetzung der Sanierung erfolge nach Eintritt der Rechtskraft.

Dagegen stimmten wie erwartet die Kleinaktionäre. Denn das Konzept sieht ihre Enteignung vor. In einem StaRUG-Verfahren können nämlich die Interessen der Anleger ausgehebelt werden. Der Varta-Führung zufolge ist der Schritt alternativlos, Aktionärsschützer sehen das anders. Erst am Freitag hatte die Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK) eine Klage beim Bundesverfassungsgericht in der Sache eingereicht. Der entschädigungslose Ausschluss des Bezugsrechts bei der Sanierung des Unternehmens verstoße gegen die Eigentumsgarantie, argumentieren sie.

Wie es weitergeht

Varta-Chef Michael Ostermann ging zuletzt davon aus, dass die Sanierung im besten Fall Ende Dezember, wahrscheinlicher aber Ende Januar, beendet werden kann. Dann werden auch die wertlosen Aktien ausgebucht und Varta von der Börse genommen. Dann sollen außerdem Unternehmenszahlen für das Geschäftsjahr 2023 sowie mehrere Quartale 2024 veröffentlicht werden. Abzuwarten bleibt aber, ob die Aktionärsvertreter mit ihrem Widerstand erfolgreich sind. Dadurch könnte sich das Verfahren verzögern.

Die (mögliche) Zukunft

Und wie geht es dann beim Unternehmen weiter? Varta will an allen deutschen Standorten festhalten. Auch an der Mitarbeiterzahl von rund 4.000 dürfte sich wenig ändern. Allerdings soll es Ostermann zufolge eine Verschiebung geben: In der Verwaltung gebe es zu viele Stellen, dort werde abgebaut. In der Produktion würden aber Beschäftigte gesucht.

Im laufenden Jahr musste Varta seine Umsatz-Prognose bereits mehrfach nach unten korrigieren. Aktuell erwarten die Schwaben einen Erlös von 750 bis 800 Millionen Euro. Ostermann gab sich für die Zukunft des Konzerns dennoch vorsichtig optimistisch. "Varta hatte ja kein operatives Problem, sondern ein Schuldenproblem", sagte er. Im Markt für Konsumgüter habe man eine exzellente Positionierung und auch im Hörgerätebereich laufe es gut. Beim Geschäft mit Energiespeichern für Photovoltaikanlagen erwartet Ostermann außerdem in Zukunft wieder Wachstum./jwe/DP/men

Quelle: dpa-Afx