BERLIN (dpa-AFX) - Die Zeiten scheinen vorerst vorbei, in denen der Online-Modehändler Zalando
Die Aktie brach am Freitagmorgen ein und fiel zwischenzeitlich um bis zu 18 Prozent auf 20,94 Euro und damit unter ihren Ausgabepreis ihres Börsengangs aus dem Jahr 2014 von 21,50 Euro. Zuletzt lag das Minus bei rund 15 Prozent. Damit setzt sich der steile Abwärtstrend fort, nachdem der Corona-Kursboom schon eine Weile Geschichte ist. Während der Hochphase der Pandemie hatte Zalando lange Zeit vom florierenden Online-Handel profitiert. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der Kurs mit 105,90 Euro ein Rekordhoch erreicht, womit das Unternehmen damals fast 28 Milliarden Euro wert war. Inzwischen sind es nur noch knapp sechs Milliarden Euro.
Das aktuelle Umfeld beeinflusse die finanzielle Entwicklung negativ, kommentierte Co-Chef Robert Gentz der am Donnerstagabend verbreiteten Konzernmitteilung zufolge die Lage. Zalando geht demnach inzwischen von "makroökonomischen Herausforderungen aus, die länger anhalten und intensiver sein werden, als zunächst angenommen". So dürfte das zweite Quartal ersten Schätzungen zufolge schwächer ausfallen als erwartet und "deutlich" unter den Analystenerwartungen bleiben. Es sei nicht mehr davon auszugehen, dass sich die Verbraucherstimmung kurzfristig erhole, begründete Zalando die Senkung der Prognose. Für das Bruttowarenvolumen (GMV) erwartet das Management 2022 jetzt ein Plus von drei bis sieben Prozent auf 14,8 Milliarden bis 15,3 Milliarden Euro. Beim Umsatz hält Zalando eine Stagnation bei 10,4 Milliarden Euro für möglich, im besten Fall könnte ein kleines Minus von drei Prozent herausspringen. Im vergangenen Jahr hatte Zalando dank des Online-Booms erstmals die 10-Milliarden-Marke beim Umsatz überschritten. Auch die Jahre zuvor verwöhnte das Unternehmen die Anleger regelmäßig mit einem robusten zweistelligen prozentualen Wachstum.
Zalando war nach einem schwachen Jahresauftakt bereits im Mai pessimistischer geworden und hatte angekündigt, lediglich das untere Ende der bisherigen Prognosespannen erreichen zu können. Ursprünglich hatte das Management ein Wachstum des GMV von 16 bis 23 Prozent und ein Umsatzplus von 12 bis 19 Prozent auf dem Zettel.
Auch die Ergebnisprognose strich Zalando massiv zusammen. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) dürfte in diesem Jahr deutlich sinken, teilte Zalando weiter mit. Und zwar von 468,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 180 Millionen bis 260 Millionen Euro. Bislang hatte das Management für 2022 ein Ziel am unteren Ende der Spanne von 430 Millionen bis 510 Millionen Euro ausgegeben.
Nicht die Senkung der Jahresziele überrasche, sondern das Ausmaß, schrieb Analystin Sherri Malek von kanadischen Bank RBC in einer ersten Reaktion am Abend. Insgesamt müssen die Branche nach der Pandemie ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Wachstum und Profitabilität finden. Daher müsse Zalando wohl die Wachstumsambitionen zurückschrauben. Dank der führenden Rolle in Europa und der Plattformstrategie habe der Konzern aber weiterhin das Zeug, schneller zu wachsen als der Sektor.
Für Analystin Georgina Johanan von der US-Bank JPMorgan ist ebenfalls lediglich das Ausmaß der Zielsenkung überraschend. Sie sieht sogar das Risiko, dass Zalando im Jahresverlauf womöglich noch weiter zurückrudern muss, da die Prognose von einer Verbesserung der Entwicklung im zweiten Halbjahr ausgehe. Volker Bosse von der Baader Bank kommentierte am Freitag, dass die nach unten geschraubten Erwartungen auch die mittelfristigen Ziele gefährden könnten.
Bereits im zweiten Quartal dürfte es laut Zalando schlechter gelaufen sein als von Analysten erwartet. Diese rechneten mit einem GMW-Wachstum von fünf Prozent, einem Umsatzplus von 1,5 Prozent und einem operativen Ergebnis von 104 Millionen Euro. "Das zweite Quartal ist profitabel, aber schwächer als erwartet", hieß es von Zalando.
Ob sich das "profitabel" auf den operativen Gewinn bezieht oder auch auf das Nettoergebnis, teilte Zalando nicht mit. So hatte Zalando schon im ersten Jahresviertel unter dem Strich einen Fehlbetrag von gut 61 Millionen Euro verkraften müssen. Zalando hatte dafür unter anderem Störungen in der Lieferkette und höhere Werbungskosten verantwortlich gemacht, um die Kunden an sich zu ziehen.
Dazu kommt ein sich änderndes Kundenverhalten: Entweder entscheiden sich Verbraucher für das hochpreisige Sortiment oder für die sehr günstige Ware. Zalando hat bereits begonnen, sich auf die neuen Begebenheiten einzustellen und baut das Sortiment um. Zudem will das Unternehmen Kosten sparen, um die Rentabilität zu verbessern. Marketingausgaben wurden bereits gesenkt und geplante Investitionen in den Ausbau der Logistik gekappt. Auch führt Zalando in 15 weiteren Märkten einen Mindestbestellwert ein.
Co-Chef Gentz verbreitete dennoch Optimismus. "Durch Effizienzsteigerungen im gesamten Unternehmen und gezielte Investitionen werden wir langfristig noch besser positioniert sein, um unsere Strategie umzusetzen", erklärte er. Die Strategie und die langfristigen Ziele blieben unverändert. Es gebe noch viele ungenutzte Chancen im Modemarkt./nas/tav/zb
Quelle: dpa-Afx