GENF/AMSTERDAM (dpa-AFX) - Fluggesellschaften in aller Welt müssen in der Corona-Krise voraussichtlich noch höhere Verluste überstehen als gedacht. Der Weltluftfahrtverband IATA setzte vor seiner online abgehaltenen Jahreshauptversammlung am Dienstag seine Verlustprognosen für die Jahre 2020 und 2021 deutlich nach oben. Die Branche hofft, sich mit millionenfachen Passagier-Tests und der schnellen Verbreitung geeigneter Impfstoffe nach und nach aus der Corona-Misere zu befreien. "Wir dürfen keine Zeit verlieren", sagte der scheidende IATA-Chef Alexandre de Juniac.
Im laufenden Jahr werde branchenweit voraussichtlich ein Verlust von 118,5 Milliarden US-Dollar (99,9 Mrd Euro) auflaufen und damit rund 34 Milliarden mehr als bisher gedacht, berichtete IATA-Chefökonom Brian Pearce. Es sei kein Grund zum Feiern, dass 2021 die Verluste auf 38,7 Milliarden Dollar zurückgehen könnten, sagte de Juniac. So fiele das Minus damit fast zweieinhalb Mal so hoch aus wie im Juni vorhergesagt. Und 2021 würde damit zum zweitschwersten Verlustjahr in der Geschichte der Luftfahrt, hieß es von der IATA.
"Wir brauchen die sichere Wiedereröffnung der Grenzen ohne Quaratäne-Vorschriften, so dass die Leute wieder fliegen", sagte IATA-Chef de Juniac. Der Verband hofft, dass Corona-Schnelltests für Reisende und Impfstoffe gegen das Virus ab dem Sommer zu einer spürbaren Erholung der Nachfrage und damit zu einem gewissen Aufschwung im Flugverkehr führen.
Das Geschäftsvolumen aus der Zeit vor der Krise wäre aber auch dann noch weit entfernt. Nach Schätzung der IATA dürfte der Umsatz der Branche im kommenden Jahr mit 459 Milliarden Dollar zwar die jetzt für 2020 erwarteten 328 Milliarden Dollar übertreffen. Das wäre allerdings immer noch nur gut halb so viel wie die 838 Milliarden Dollar aus dem Vorkrisenjahr 2019.
"Ohne die Finanzhilfen der Regierungen in Höhe von 173 Milliarden Dollar hätten wir Insolvenzen in einem massiven Ausmaß gesehen", sagte de Juniac. Nach Ansicht von Lufthansa-Chef Carsten Spohr könnte allerdings auch diese Summe nicht ausreichen, um Fluggesellschaften weltweit durch die Krise zu bringen. "Wir waren immer gegen Staatsgeld in unserer Branche", sagte er. In dieser außergewöhnlichen Krise gebe es jedoch keinen anderen Weg.
Dabei dürfte die Krise vielen Fluggesellschaften in Europa noch schwerer und länger zu schaffen machen als Konkurrenten in anderen Regionen der Welt. So seien Airlines auf dem alten Kontinent in hohem Maß von Einnahmen aus dem Auslandsgeschäft abhängig. Zudem bremse die zweite Infektionswelle das Geschäft. So dürfte die Nachfrage nach Flugreisen in Europa 2021 der IATA zufolge zwar fast anderthalb Mal so hoch ausfallen wie im laufenden Jahr, wäre damit aber immer noch weniger als halb so hoch wie 2019.
Für 2020 sagt die IATA den europäischen Airlines einen Nettoverlust von 26,9 Milliarden Dollar voraus. Im kommenden Jahr dürfte es mit 11,9 Milliarden Dollar noch einmal fast halb so viel werden. Fluggesellschaften in Nordamerika dürften ihre Verluste nach Schätzung des Verbands 2021 hingegen um rund drei Viertel im Vergleich zu 2020 eindämmen können. So habe sich der Inlandsflugverkehr in den USA früher von der Krise erholt. Zudem hätten die dortigen Airlines bereits früher ihre Kosten gesenkt./stw/ceb/ngu/he
Quelle: dpa-Afx