WOLFSBURG (dpa-AFX) - Der VW-Konzern stemmt sich weiter gegen starke Preisschwankungen bei Rohstoffen und die wachsende Konkurrenz in China, hat zum Jahresbeginn im laufenden Geschäft ohne diese Belastungen aber insgesamt zulegen können. Der Betriebsgewinn wuchs im ersten Quartal um gut 35 Prozent auf etwa 7,1 Milliarden Euro, wenn man die Bewertung von Absicherungsgeschäften im Materialeinkauf in den Büchern außen vor lässt. Mit ihrer Berücksichtigung sieht das Bild ganz anders aus: Das operative Ergebnis sank um 31 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro, und unterm Strich blieben als Ertrag noch 4,7 Milliarden Euro nach 6,7 Milliarden Euro Anfang 2022.
Die im Dax notierte VW-Vorzugsaktie lag am Vormittag gut ein halbes Prozent im Minus bei 123,44 Euro. In diesem Jahr hat der Kurs um rund sechs Prozent zugelegt, vor zwölf Monaten war das Papier aber mehr wert als derzeit. Goldman-Sachs-Analyst George Galliers bezeichnete die Resulate als "solide", trotz der Belastungen aus Rohstoffsicherungsgeschäften. Die Markengruppen Volumen und Premium hätten unerwartet gut abgeschnitten - allerdings sei der vom Unternehmen erwartete Rückgang des anteiligen operativen Ergebnisses in China angesichts der Diskussionen um stärkeren Wettbewerb in der Volksrepublik nicht gerade beruhigend.
Wie das Unternehmen am Donnerstag berichtete, stabilisierte sich die Lage trotz anhaltender Lieferschwierigkeiten bei Auto-Elektronik wieder. Der Umsatz stieg um knapp 22 Prozent auf 76,2 Milliarden Euro. Dass auch viele Fahrzeugmodelle im Zuge der allgemeinen Inflation teurer wurden, dürfte dabei eine Rolle gespielt haben - die Wolfsburger sprachen von einer "verbesserten Preispositionierung". Insbesondere in Europa und Nordamerika erholten sich die Verkäufe, während die VW-Gruppe in China erhebliche Probleme hatte. Finanzvorstand Arno Antlitz sieht dennoch einen "vielversprechenden Start in das Geschäftsjahr 2023" und eine "solide Performance".
Die Effekte der "Hedging" genannten Abfederung erhöhter Beschaffungskosten bei Grundressourcen und Energie waren im ersten Jahresviertel 2022 mit plus 3,2 Milliarden Euro noch positiv ausgefallen - nun drehte sich dies ins Gegenteil. Sie sind im Einzelnen nicht näher ausgewiesen, Volkswagen musste zudem einige Werte nachträglich anpassen.
Vor allem in der Hochphase der Corona-Krise mit gravierenden Einschränkungen des weltweiten Handels hatte es auch in der Lieferketten der Autoindustrie heftig gekracht. Die Situation entspannte sich vielerorts etwas, VW räumte "anhaltende Beeinträchtigungen" in der Logistik ein. Trotzdem konnten die schwachen Auslieferungen von Anfang 2022 nun in der Summe um 7,5 Prozent auf 2,04 Millionen Autos verbessert werden. Auch die Produktion zog wieder an, nachdem es in den vergangenen beiden Jahren vor allem aufgrund der Chip-Lieferengpässe zu einem enormen Auftragsstau gekommen war.
Unter den Erwartungen blieb der Konzern zuletzt ausgerechnet in seinem mit Abstand wichtigsten Markt China. Dort nahmen die Verkäufe von Januar bis März um 14,5 Prozent ab, bei E-Autos fiel das Minus sogar noch größer aus. Die Kernmarke VW Pkw büßte in der Volksrepublik erstmals seit Jahrzehnten die Marktführerschaft an den lokalen Elektrorivalen BYD ein. Den Deutschen fehlten etwa Software- und Entertainment-Funktionen, die den Geschmack jüngerer und internetaffiner Kunden treffen. Nun soll mit neuen Modellen und mehr Investitionen vor Ort gegengesteuert werden. "Der Konzern ist zuversichtlich, dass sich die Auslieferungen in dieser Region aufgrund der erweiterten Palette und China-spezifischer Technologie im weiteren Jahresverlauf erholen werden", hieß es dazu offiziell.
Das Geschäft mit reinen Elektrofahrzeugen wuchs weltweit an, für das Startquartal meldete der Konzern ein Plus von 42 Prozent auf rund 141 000 Stück. Der Anteil an allen ausgelieferten Autos nimmt stetig zu, ist mit etwa 7 Prozent aber in der Gesamtbetrachtung noch vergleichsweise gering.
Aufholen muss Volkswagen nach Einschätzung von Experten auch bei der Entwicklung selbst programmierter Software. Hier hatte es große Verzögerungen gegeben - und die Oberklassetöchter Porsche und Audi gehen entgegen dem ursprünglichen Plan vorerst weiter eigene Wege. Der Start des von der Kernmarke geplanten Zukunftsautos Trinity samt eigener Elektronikplattform verschiebt sich - weiterhin unklar ist, ob überhaupt noch ein neues Werk dafür gebaut werden muss. Die VW-interne Software-Sparte Cariad weitete ihren Verlust im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum leicht von 416 auf 429 Millionen Euro aus, der Konzern verwies auf die nach wie vor hohen Investitionen. Für Batteriezellwerke in Europa und Kanada hat VW Milliarden verplant.
Die Markengruppe Premium mit Audi fiel beim Betriebsergebnis verglichen mit den ersten drei Monaten 2022 zurück, sie kam nach damals 3,5 Milliarden zuletzt auf 1,8 Milliarden Euro. Die Ingolstädter verzeichneten aber einen Verkaufsanstieg. Die Markengruppe Volumen, die unter anderem die Kernmarke VW Pkw umfasst, verbesserte ihren Betriebsgewinn den aktuellen Zahlen zufolge von knapp 880 Millionen auf 1,7 Milliarden Euro. Auch Porsche konnte deutlich mehr verkaufen.
Seinen Ausblick auf den restlichen Jahresverlauf ließ Volkswagen unverändert. Die Wolfsburger kalkulieren bisher für dieses Jahr mit einem Umsatzanstieg um 10 bis 15 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 279,2 Milliarden Euro. Dank des vollen Auftragsbuchs rechnen sie mit einer deutlichen Steigerung der Auslieferungen auf rund 9,5 Millionen Fahrzeuge (Vorjahr: 8,3 Mio). Auch der US-Konkurrent Tesla macht jedoch nicht nur mit der Produktion vor den Toren Berlins Tempo, sondern setzt die Wettbewerber weltweit mit Preissenkungen unter Druck./jap/men
Quelle: dpa-Afx