BERLIN (dpa-AFX) - Für Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge ist die Super League definitiv gescheitert, UEFA-Präsident Aleksander Ceferin droht Real Madrid, Juventus Turin & Co. mit Strafen - und in England revoltieren die Fans gegen die eigenen Vereinsbosse. Das Scheitern des milliardenschweren Großprojekts sorgt weiter für Verwerfungen im europäischen Fußball. Doch auch die angekündigte Reform der Champions League taugt mehr und mehr zum Aufregerthema. Ob Jürgen Klopp oder die Bundesliga-Vereinschefs Dirk Zingler und Peter Fischer: Die Kritik am europäischen Dachverband nimmt an Intensität zu.
Denn je länger das Super-League-Aus zurückliegt, umso mehr rückt das veränderte Modell der Königsklasse in den Fokus - und stößt auf Ablehnung. "Das kleinere Übel bleibt: ein Übel", sagte Dirk Zingler, Präsident des 1. FC Union Berlin. Die Champions-League-Reform folge dem gleichen Prinzip wie die Super League, nämlich: "mehr, mehr, mehr". Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer kritisierte, dass dies "nichts ist, was uns wahnsinnig helfen wird. Es werden doch wieder andere Ideen kommen, um die Gelddruckmaschine Fußball in irgendeiner Form zu nutzen", sagte er im ZDF-"Sportstudio".
Dass in der Champions League nach einer Entscheidung des UEFA-Exekutivkomitees ab 2024 36 statt 32 Teams spielen und jede Mannschaft zehn statt sechs Gruppenspiele absolvieren wird, hatte zuvor bereits unter anderem Liverpool-Coach Jürgen Klopp kritisiert. "Die UEFA hat uns nicht gefragt, die Erfinder der Super League haben uns nicht gefragt. Niemand hat uns gefragt. Es heißt immer nur, wir sollen mehr Spiele machen. Wir müssen einfach nur liefern. Was ist der Grund? Geld!", sagte der frühere Bundesliga-Coach Klopp.
Immerhin die Idee der Super League scheint passé. "Das Thema ist endgültig erledigt. Das war ein Warnschuss", sagte Rummenigge der "Bild am Sonntag". Letztendlich sei es "vielleicht sogar gut gewesen", dass der Wirbel um die neue Liga die Welt innerhalb weniger Tage drastisch in Aufruhr versetzt habe, sagte der Vorstandschef der Bayern. So hätten auch die Geschäftsleute im Fußball verstanden, "dass der Fußball etwas anders tickt als nur geschäftlich".
Wie Real Madrid, Juventus Turin, FC Barcelona und AC Mailand ticken, ist noch nicht in Gänze zu durchschauen. Diese vier Mitinitiatoren haben - im Gegensatz zu den anderen acht Clubs - bisher offiziell noch keine Absichten zum endgültigen Ausstieg aus dem Projekt verkündet. Was wiederum zu weiteren Zwistigkeiten bis zu persönlichen Anschuldigungen und quasi-familiären Zerwürfnissen führt.
Denn Europas Verbandschef Ceferin sieht sein Verhältnis zu Juve-Boss Andrea Agnelli trotz der bisherigen privaten Verbindung als unwiderruflich zerstört an. "Es gibt keine Beziehung mehr", sagte der Slowene der Nachrichtenagentur AP. "Und es wird nie wieder eine Beziehung geben." Dabei ist Ceferin der Pate von Agnellis Tochter.
Ceferin fühlt sich durch das Verhalten von Agnelli rund um die Gründung der Super League hintergegangen. Noch kurz bevor die Pläne öffentlich wurden, habe der damalige Chef der Europäischen Club-Vereinigung ihm versichert, dass nichts an der geplanten Konkurrenz zur Champions League dran sei. Wenig später sei Agnelli nicht mehr ans Telefon gegangen. "Der schlimmste Tag war Samstag, weil ich dann realisierte, dass es der reine Verrat war, dass uns einige Leute seit Jahren angelogen hatten", sagte Ceferin.
Für die kommende Woche kündigte er Debatten über mögliche Strafen für die vier Clubs an. "Wir warten noch auf rechtliche Einschätzungen und dann werden wir dies sagen. Aber jeder muss die Konsequenzen für seine Entscheidungen tragen und sie wissen das", sagte er. Die Vereine müssten entscheiden, ob sie "in der Super League oder ein europäischer Verein" seien. "Wenn sie in der Super League sind, dann können sie natürlich nicht in der Champions League sein."
Real-Madrid-Präsident Florentino Pérez warf Ceferin daraufhin "ungesundes" Verhalten vor. "Alles, was passiert ist, war bedauerlich, mit Beleidigungen und Drohungen. Wir waren von seiner Gewalt überrascht", sagte der Boss der Super League in einem Interview der Sportzeitung "AS". Ceferins Drohung, Clubs von Europacup-Wettbewerben auszuschließen, die an der Super League festhalten, verstoße klar gegen die Regeln des freien Wettbewerbs.
Wie die Fans in England ticken, war am Wochenende vor den Stadien zu beobachten. Liverpool-Anhänger forderten vor dem 1:1 gegen Newcastle United die Absetzung von Haupteigentümer John Henry und dessen Fenway Sports Group. Der Tottenham Hotspur Supporters Trust (THST) plädierte für den Rücktritt des Vorstandes. Mit "Kroenke raus" und "Wir wollen unser Arsenal zurück" machten Anhänger des Londoner Clubs deutlich, was sie von Clubbesitzer Stan Kroenke halten. Und der Eigentümer des Thomas-Tuchel-Clubs FC Chelsea, Roman Abramowitsch, schrieb sogar einen Entschuldigungsbrief an die Fans./wom/DP/men
Quelle: dpa-Afx