(aktuelles Rekordhoch eingefügt und mit Blick auf Bewertungen aktualisiert)

GÖTTINGEN (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie beschert dem Laborausrüster und Pharmazulieferer Sartorius weiter ein hohes Wachstum - an der Börse wird dies gefeiert. Jetzt stehen die Göttinger am Finanzmarkt vor dem Ritterschlag - dem Aufstieg in den Dax .

DAS IST LOS BEI SARTORIUS:

Sartorius erlebt einen wahren Bestellboom von Herstellern von Impfstoffen und Corona-Tests, für die sie wichtiges Zubehör liefert. Konzernchef Joachim Kreuzberg legte deshalb Anfang Juli die Latte für das laufende Jahr erneut höher. Der Umsatz soll währungsbereinigt um rund 45 Prozent zulegen - zuvor hatte Kreuzberg noch ein Plus von 35 Prozent avisiert. Damit sieht es derzeit danach aus, dass sich das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr deutlich steigert. 2020 hatte der Umsatz wechselkursbereinigt um rund 30 Prozent auf etwas mehr als 2,3 Milliarden Euro zugelegt.

Auch der bereinigte operative Gewinn soll höher ausfallen als noch bis Anfang Juli gedacht. So sollen im Gesamtjahr nun etwa 34 Prozent des Umsatzes als Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sondereffekten (Ebitda) im fortgeführten Geschäft hängen bleiben. Bisher hatte das Management mit etwa 32 Prozent gerechnet. Im vergangenen Jahr hatte die operative Marge noch bei knapp 30 Prozent gelegen.

Bis 2025 soll der Umsatz auf rund fünf Milliarden Euro steigen - die Profitabilität soll dann bei 32 Prozent liegen. Rechnerisch ergibt dies einen operativen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro nach knapp 700 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Der Konzern baut wegen der starken Nachfrage auch seine Kapazitäten aus, unter anderem am Standort der Zentrale in Göttingen, aber auch in China, Südkorea und Puerto Rico.

Bereits in den vergangenen Jahren hatten die Niedersachsen kräftig expandiert. Die Mitarbeiterzahl des bereits 1870 als feinmechanische Werkstatt für Analysewaagen gegründeten Unternehmens wächst auch durch Übernahmen stetig und lag Ende Juni bei fast 12 000 und damit rund 13 Prozent mehr als noch Ende 2020. Mittelfristig sollen durchschnittlich mehr als 1000 Mitarbeiter pro Jahr zum Konzern hinzukommen, auch durch Übernahmen.

Dabei soll der Fokus der Expansion auf Amerika und Asien liegen. Wichtigste Beteiligung sind die 70 Prozent an der französischen Sartorius Stedim Biotech , unter deren Dach das Biotech-Geschäft des Konzerns läuft. Die Sparte verkauft in der Pandemie gefragte Einweg-Materialien wie Bioreaktoren und Membranbeutel, aber auch Filtersysteme sowie Nähr- und Pufferlösungen für Zellkulturen. Dank der Nachfrage nach Corona-Tests floriert aber auch die Laborsparte, die unter anderem die Waagen, Pipetten und Verbrauchsmaterialien für Labore liefert.

DAS MACHT DIE AKTIE

An der Börse sorgten die Anfang Juli erhöhten Jahresziele für eine neue Welle der Euphorie. Nachdem die seit Jahren anhaltende und durch Corona angeheizte Rally in den Monaten davor etwas ins Stocken geraten war, ist sie jetzt wieder in vollem Gange. Seitdem erklomm die im MDax notierte Vorzugsaktie ein Rekordhoch nach dem anderen.

Am Dienstag kurz vor Handelsende erreichte die Vorzugsaktie mit 553 Euro das bisher höchste Niveau. Einmal mehr reiht sich das Papier damit in die Liste der größten Gewinner unter den deutschen Standardwerten ein. Die Vorzugsaktie legte alleine in diesem Jahr um etwas mehr als 60 Prozent zu und das nachdem sie 2020 rund 80 Prozent gewann und 2019 circa 75 Prozent. Den letzten Jahresverlust gab es 2008 während der großen Weltfinanzkrise.

Über fünf Jahre gesehen summiert sich das Plus auf inzwischen knapp 700 Prozent. Wer noch früher eingestiegen ist, hat ein größeres Plus im Depot. 2012 stieg der Kurs erstmals über die Marke von 10 Euro. Das Göttinger Unternehmen wurde bereits 1990 an die Börse gebracht. Damals hatte der Ausgabepreis für die Vorzugsaktie 610 D-Mark betragen. Bereinigt um die Währungsumstellung und zwei Aktiensplits beläuft sich der Ausgabepreis rechnerisch auf rund drei Euro.

Das Aktienkapital ist zu gleichen Teilen in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. Von den etwas mehr als 37 Millionen Stammaktien gehören gut die Hälfte einer Erbengemeinschaft und rund 34 Prozent dem US-Unternehmen Bio-Rad Laboratories. Knapp neun Prozent hält das Unternehmen selbst. Nur sieben Prozent sind im Streubesitz.

Ganz anders sieht es bei den Vorzugsaktien aus: Hier werden rund 72 Prozent der Anteile, die nicht im Besitz des Unternehmens selbst sind, im Streubesitz gehandelt; 28 Prozent liegen nach Sartorius-Angaben bei Bio-Rad Laboratories. Sartorius selbst hält wie bei den Stammaktien rund neun Prozent. Der Konzern wird an der Börse inzwischen mit knapp 44 Milliarden Euro bewertet - allein das Aktienpaket der Erbengemeinschaft kommt dabei auf fast zwölf Milliarden Euro.

Sartorius liegt damit in der Rangliste der wertvollsten MDax-Werte nach Airbus und der Siemens -Tochter Siemens Healthineers auf Platz drei und bringt derzeit mehr auf die Börsenwaage als zahlreiche Dax-Konzerne. Das Göttinger Unternehmen zählt damit zu den Kandidaten für den Index-Aufstieg, wenn der deutsche Leitindex im Herbst von 30 auf 40 Mitglieder aufgestockt wird.

Für einen möglichen Dax-Aufstieg ist allerdings nur der Börsenwert des Streubesitzes bei der Vorzugsaktie entscheidend. Die Marktkapitalisierung der nach Unternehmensangaben frei handelbaren Papiere liegt derzeit bei fast 14 Milliarden Euro. Gemessen daran hat Sartorius einige Konkurrenten beim Kampf um einen Platz im deutschen Leitindex. Entscheidend für eine Aufnahme in den Dax ist die Rangliste Ende August. Die meisten Index-Experten gehen von einem Aufstieg des Göttinger Unternehmens aus.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Viele Experten haben in den vergangenen Wochen ihre Schätzungen und Kursziele angehoben. Sieben der zwölf Experten, die seit Anfang Juli von dpa-AFX, erfasst worden sind, empfehlen das Papier trotz der jüngsten Rally zum Kauf. Vier Analysten nehmen eine neutrale Haltung ein - und zum Verkauf rät nur UBS.

Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 510 Euro, also rund sieben Prozent unter dem aktuellen Rekordniveau. Die Spanne ist dabei für einen Standardwert ungewöhnlich weit - sie reicht von 324 Euro (UBS) bis zu 632 Euro (Warburg). Analyst Michael Heider erhöhte sein Kursziel zuletzt nach der Vorlage der detaillierten Halbjahreszahlen am 21. Juli um 15 Prozent. Das Geschäft entwickle sich weiter sehr dynamisch. Aus diesem Grund hob er seine Schätzungen an.

Skeptisch blieb dagegen UBS-Experte Michael Leuchten, der das Papier für deutlich zu hoch bewertet sieht. Er geht zwar davon aus, dass Sartorius bis 2025 kräftig wachsen wird, glaubt aber nicht an das vom Konzernchef Kreuzberg ausgerufene Ziel von fünf Milliarden Euro. Die für das Wachstum notwendigen Investitionen dürfte zudem auf die Marge drücken. Zudem seien die durch Corona ausgelösten Umsätze hoch profitabel - dieser Effekte dürfte sich auch nicht ewig fortsetzen lassen.

So geht er in den kommenden beiden Jahren von einem langsameren Wachstum aus und beim Gewinn sogar von einer Stagnation. Dieser werde erst wieder 2024 und 2025 deutlich zulegen. Dies sehen viele Experten ähnlich. Im Schnitt rechnen die derzeit von Bloomberg erfassten Experten im kommenden Jahr mit einem stagnierenden operativen Ergebnis bei etwas mehr als 1,1 Milliarden Euro. Die Jahre danach sollte es aber wieder anziehen. Die vom Unternehmen ausgerufenen Ziele für 2025 halten Analysten im Schnitt für realistisch./zb/nas/mis/he

Quelle: dpa-Afx