GÖTTINGEN (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie hat dem Labordienstleister und Pharmazulieferer Sartorius ein starkes Jahr beschert. Die hohe Nachfrage insbesondere von Impfstoffforschern beflügelte das Wachstum des im September in den Dax aufgestiegenen Konzerns. So viel steht schon mal fest - wie hoch das Wachstum ausfiel und wie viel dabei verdiente wurde, wird Sartorius am Donnerstag (27. Januar) vor Börsenstart bekanntgeben. Aber wird es auch 2022 so weitergehen? An der Börse steht der Corona-Gewinner Sartorius nach einem jahrelangen Höhenflug aktuell unter Druck. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI SARTORIUS:

Über mangelnde Aufträge kann sich Unternehmenschef Joachim Kreuzburg aktuell wahrlich nicht beschweren. Der Manager hat Sartorius seit seinem Einzug 2005 an die Unternehmensspitze durch diverse Zukäufe und stetig steigende Mitarbeiterzahlen zu einer wichtigen Größe unter den Pharmazulieferern gemacht. Schon vor Beginn der Pandemie florierte die Biotechsparte, die unter dem Dach der französischen Tochter Satorius Stedim Biotech läuft. Der Bereich mit Einweg-Materialien wie Bioreaktoren und Membranbeuteln ist gefragt, da in der Medizin biologisch hergestellte Medikamente und neue Behandlungsmethoden wie etwa Gen- und Zelltherapien auf dem Vormarsch sind.

Die Corona-Krise sorgt bei Sartorius - wie bei vielen anderen Zulieferern auch - gleichwohl für eine Sonderkonjunktur. Die Nachfrage insbesondere der Hersteller von Corona-Tests und von Impfstoffproduzenten beschert dem Konzern einen Auftragsboom. Auch die Laborsparte, die unter anderem Waagen, Pipetten und Verbrauchsmaterialien liefert, profitiert von dem großen Interesse. Im vergangenen Jahr weitete Sartorius daher seine Kapazitäten weltweit aus und nahm dafür deutlich mehr Geld als bisher in die Hand. Neben Deutschland wurden etwa Standorte in Puerto Rico, China und Südkorea ausgebaut.

Gleich zwei Mal hob Kreuzburg zudem seine Ziele für 2021 an. Zuletzt stellte das Management für das Jahr währungsbereinigt ein Umsatzplus von rund 45 Prozent in Aussicht. Damit würde der Dax-Neuling noch deutlicher wachsen als im Jahr 2020, als die Erlöse unter Ausklammerung von Wechselkurseffekten um rund 30 Prozent auf mehr als 2,3 Milliarden Euro geklettert waren. Zudem sollte das Unternehmen noch profitabler werden: Für die operative Marge gemessen an dem um Sondereffekte bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) war für 2021 ein Anstieg auf 34 Prozent angepeilt - nach knapp 30 Prozent im Vorjahr.

In den ersten neun Monaten hatte Sartorius sogar noch stärker zugelegt als für das Gesamtjahr erwartet, wenngleich sich das Wachstum im dritten Quartal etwas abschwächte. Bemerkenswert ist aber, dass zum Umsatzplus die Coronavirus-Impfstoffe und Tests deutlich weniger als die Hälfte beisteuerten, der Großteil des Wachstums entstammte vielmehr dem Basisgeschäft. Kreuzburg betont daher immer wieder gerne, dass Corona für den Konzern zwar eine "verstärkende, aber keine dominante" Rolle spiele. Wie viel Schub das letzte Schlussquartal gebracht hat, werden die vorläufigen Geschäftszahlen an diesem Donnerstag zeigen.

Vermutlich dürfte sich Kreuzburg dann auch zu den weiteren Perspektiven seines Unternehmens in der Pandemie äußern. Zuletzt baute Sartorius sein Geschäftsportfolio weiter konsequent aus. Mit der zu Jahresanfang erfolgten Mehrheitsübernahme von ALS Automated Lab Solutions aus Jena setzt der Sartorius-Chef wie schon in den vergangenen Jahren weiter auf ergänzende Zukäufe: Die ostdeutsche Firma produziert spezielle Laborlösungen etwa für die Antikörperforschung und die Entwicklung von Zell- und Gentherapien.

Zuvor hatte Sartorius bereits mit der Übernahme der Mehrheit an Cellgenix und dem Zukauf von Xell sein Produktportfolio für die Herstellung von Zell- und Gentherapien sowie Impfstoffen erweitert. Die Zukäufe sollen auch dazu beitragen, die vor einem Jahr erhöhten mittelfristigen Ziele zu erreichen, auch wenn das Wachstum bis dahin vor allem aus dem bisherigen Geschäft stammen soll. Für das Jahr 2025 peilt Kreuzberg einen Umsatz von fünf Milliarden Euro bei einer operativen Marge von 32 Prozent an. Analysten halten diese Vorgaben für realistisch - der Schnitt der von Bloomberg bisher erfassten Expertenschätzungen liegt sogar leicht über den Unternehmenszielen.

DAS MACHT DIE AKTIE

Nicht nur im Tagesgeschäft erlebt Sartorius enormen Zulauf. Auch an der Börse ist der Konzern schon seit Jahren gefragt. Als einer der Corona-Gewinner stiegen die Göttinger im September in den damals auf 40 Mitglieder erweiterten deutschen Leitindex Dax auf. Seit die Vorzugsaktie Anfang Dezember einen weiteren Rekord bei fast 632 Euro markiert hat, ebbt der Rückenwind für viele Corona-Profiteure an der Börse allerdings ab - so auch bei Sartorius. Womöglich wollen einige Anleger vor den anstehenden Jahreszahlen des Konzerns aber auch erst einmal auf Nummer sicher gehen und sich von den weiteren Perspektiven in der Pandemie überzeugen.

Seit dem Höchststand vor wenigen Wochen hat das Papier daher kräftig Federn gelassen. Nachdem sich das Papier bis zum Endes des vergangenen Jahres noch um die Marke von 600 Euro gehalten hatte, beschleunigte sich die Talfahrt in den vergangenen Wochen. In den ersten Wochen des Jahres sackte der Kurs um mehr als ein Viertel ab. Auch andere Corona-Profiteure im Dax wie etwa Delivery Hero , Hellofresh , Merck oder Qiagen erwischte es seit Jahresbeginn hart - aber Sartorius gehört bisher zu den größten Verlierern in der ersten Börsenliga in diesem Jahr.

Ungewohnte Gefühle für die so lange vom Erfolg verwöhnten Sartorius-Aktionäre. In den vergangenen drei Jahren legte der Kurs immer jeweils zwischen 70 und 80 Prozent zu. Das letzte Minus auf Jahressicht hatte es 2008 während der großen Weltfinanzkrise gegeben.

Trotz der jüngsten Verluste summiert sich das Plus in den vergangenen fünf Jahren auf etwas mehr als 500 Prozent. Wer noch früher eingestiegen ist, hat ein größeres Plus im Depot. 2012 stieg der Kurs erstmals über die Marke von 10 Euro. Das Göttinger Unternehmen wurde bereits 1990 an die Börse gebracht. Damals hatte der Ausgabepreis für die Vorzugsaktie 610 D-Mark betragen. Bereinigt um die Währungsumstellung und zwei Aktiensplits beläuft sich der Ausgabepreis rechnerisch auf rund drei Euro.

Das Aktienkapital ist zu gleichen Teilen in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. Das Unternehmen hält von jeder Aktiengattung circa neun Prozent. Von den übrigen rund 34 Millionen Stammaktien gehören gut 55 Prozent einer Erbengemeinschaft und rund 38 Prozent dem US-Unternehmen Bio-Rad Laboratories. Rund sieben Prozent sind im Streubesitz.

Ganz anders sieht es bei den im Dax notierten Vorzugsaktien aus: Hier werden rund 72 Prozent der Anteile, die nicht im Besitz des Unternehmens selbst sind, im Streubesitz gehandelt; 28 Prozent liegen nach Sartorius-Angaben bei Bio-Rad Laboratories. Der Konzern wird an der Börse derzeit mit rund 30 Milliarden Euro bewertet - allein das Aktienpaket der Erbengemeinschaft kommt dabei auf fast sieben Milliarden Euro.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX seit der letzten Zahlenvorlage erfassten zehn Analysten sind trotz der nach wie vor hohen Bewertung tendenziell positiv eingestellt. Zur Hälfte sprechen sie sich für einen Kauf der Aktie aus. Vier Experten raten zum Halten, ein Experte steht mit seinem Verkaufsvotum allein. Nachdem viele Branchenkenner ihre Modelle zuletzt überarbeitet haben, liegt das durchschnittliche Kursziel nun bei rund 560 Euro - und damit fast 30 Prozent über dem aktuellen Kursniveau.

Größter Optimist unter den Sartorius-Kennern ist Richard Vosser von der US-Investmentbank JPMorgan. Während viele seiner Analystenkollegen bereits in die Defensive gingen, hob er zu Jahresanfang sein Kursziel noch deutlich an. Inzwischen traut er der Aktie sogar einen Anstieg auf 685 Euro zu. Dabei sieht Vosser das anhaltend starke Wachstum in der Biotechnologiesparte sowie Zukäufe als Treiber eines fortgesetzten Aufwärtszyklus an der Börse.

Analyst Sven Kürten von der DZ Bank schätzt derweil die Jahresziele von Sartorius als konservativ ein, da die Niedersachsen aktuell aufgrund des Biopharmazeutika-Booms und der Corona-Pandemie von ihren Kunden "überrannt" würden. Ab 2022, so glaubt der Experte, dürfte die Wachstumsdynamik zwar deutlich abnehmen, aber immer noch überdurchschnittlich sein. Die Bewertung der Aktie hält der Experte allerdings für anspruchsvoll.

Viel zu teuer ist das Papier für UBS-Experte Michael Leuchten, der mit einem Kursziel von 340 Euro weit unter dem aktuellen Kursniveau liegt und daher das Papier zum Verkauf empfiehlt. Er verwies zuletzt auf steigende Kosten etwa für die stark wachsende Belegschaft. Vor diesem Hintergrund bemängelte er, dass sich die Entwicklung der Corona-bezogenen Umsätze im neu angelaufenen Jahr aktuell nur schwer kalkulieren lasse. Sartorius war zur Neunmonatsbilanz noch davon ausgegangen, dass die starke Umsatzentwicklung den Kostenanstieg absorbieren könne.

Mit Blick auf die am Donnerstag anstehenden Jahreszahlen gehen die von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Analysten derweil davon aus, dass Sartorius die eigenen Prognosen erfüllen wird./tav/jcf/zb/eas

Quelle: dpa-Afx