BERLIN (dpa-AFX) - Nach einem herben Umsatzeinbruch in Corona-Zeiten rechnen die Verkäufer von elektronischen Zigaretten dieses Jahr wieder mit etwas anziehenden Geschäften. Der Verband des E-Zigarettenhandels (VdeH) prognostiziert für 2022 einen Umsatz von 300 Millionen Euro und damit 20 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Verbandsgeschäftsführer Oliver Pohland begründete das leichte Plus mit Vorratskäufen: Viele Konsumenten würden wohl noch auf Einkaufstour gehen, bevor im Juli eine Steuerreform greift und E-Zigaretten teurer werden dürften.
Die Branche ist noch jung. In den strombetriebenen Geräten werden aromatisierte Flüssigkeiten (Liquids) erhitzt. Die Konsumenten inhalieren dann einen Dampf, der häufig Nikotin enthält. 2011 betrug der Branchenumsatz in Deutschland nach Verbandsangaben 100 Millionen Euro, bis 2018 kletterte der Betrag laut VdeH auf 550 Millionen Euro.
2019 sanken die Umsätze erstmals, und zwar auf 480 Millionen Euro - das lag damals auch an Imageproblemen nach Todesfällen in den USA, die es nach dem Cannabis-Konsum mit umgebauten E-Zigaretten gegeben hatte. Die Branche betonte, dass dies an der Verwendung illegaler Substanzen gelegen habe und die Nutzung legaler Produkte sicher sei. Das Vitamin-E-Acetat, das in den USA ebenfalls mit den Todesfällen in Verbindung gebracht wurde, ist in Deutschland in E-Zigaretten verboten.
Die vor zwei Jahren einsetzende Corona-Krise hatte dann drastische finanzielle Folgen für die Händler, der Umsatz mit E-Zigaretten fiel 2020 auf 330 Millionen Euro und 2021 auf 280 Millionen Euro. Verbandsvertreter Pohland begründet das mit Corona-Einschränkungen und zeitweise geschlossenen Geschäften. Zudem seien die Menschen weniger in Kneipen oder auf Partys unterwegs gewesen und hätten daher auch weniger Anlass gehabt zum geselligen Dampfen.
Ab Juli ist auf Liquids für E-Zigaretten erstmals Tabaksteuer fällig, bisher zahlt der Konsument nur Mehrwertsteuer. Für ein übliches 10-Milliliter-Liquid werden dann 1,60 Euro Tabaksteuer fällig. Blieben die Hersteller bei ihrem durchschnittlichen 5-Euro-Preis, würde sich ein Liquid also auf 6,60 Euro verteuern. Bis Januar 2026 folgen weitere Erhöhungsschritte, auf der letzten Stufe wird auf besagtes 10-Milliliter-Liquid eine Tabaksteuer von 3,20 Euro fällig.
Pohland rechnet damit, dass der erste Schritt noch keine wesentlichen Folgen für den Konsum haben wird. Grund: Um die Konsumenten nicht zu verprellen, schlagen die Firmen die Steuer vermutlich nicht eins zu eins auf den bisherigen Preis drauf. Der Preis könnte sich nur etwas erhöhen, wodurch das Geschäft für die Firmen allerdings weniger profitabel würde.
Mit den weiteren Erhöhungsschritten dürften die Preise dann aber deutlich ansteigen, so Pohland. Spätestens dann drohe eine Abwanderung in Schwarzmärkte - dass sich Konsumenten also ihre Liquids über illegale Kanäle besorgen, um Geld zu sparen. "Sollte diese Abwanderung erwiesen sein, sollte der Gesetzgeber in sich gehen und umschwenken." Pohland warnt zudem davor, dass die Verteuerung von E-Zigaretten Folgen haben könnte für starke Raucher, die eigentlich vom Tabak-Glimmstängel weg wollten und die E-Zigarette als Hilfsmittel zur Entwöhnung verstünden.
"Sind E-Zigaretten aber sehr teuer, so fällt das in den Überlegungen mancher Raucher negativ ins Gewicht", sagt Pohland. Der Verband spricht für fünf Großhändler, die E-Zigaretten weiterverkaufen, und für den Fachhandel, der sich auf die Verdampfer und Liquids spezialisiert hat. Die Umsatzzahlen basieren auf Angaben der Verbandsmitglieder und auf Schätzungen. Die Zahlen decken nicht den kompletten Markt ab - Online-Käufe aus dem EU-Ausland sind nicht darin enthalten, hierzu gibt es keine Schätzungen.
Aus Sicht von Medizinern sind E-Zigaretten eine gute Alternative zur Tabakzigarette - ungefährlich ist das Dampfen aber keineswegs. Das Bundesamt für Risikobewertung schreibt auf seiner Internetseite, dass E-Zigaretten "wesentlich weniger gefährlich als herkömmliche Zigaretten" seien und "deutlich geringere Mengen krebserzeugender und anderer gesundheitsschädlicher Stoffe" enthielten. Die Toxizität des Dampfens sei "deutlich geringer als das Inhalieren von Zigarettenrauch". Zugleich weist die Behörde aber auf eine mögliche Nikotinsucht und Schäden für das Herzkreislaufsystem hin. Zudem können "beim Dampfen krebserzeugende Substanzen wie Formaldehyd und Acetaldehyd sowie das zelltoxische Acrolein entstehen". Weder zu Rauchen noch zu Dampfen sei "der beste Gesundheitsschutz"./wdw/DP/zb
Quelle: dpa-Afx