(Im elften Absatz wurde die Schreibweise des Caeb-Präsidenten berichtigt: Robledo rpt Robledo.)
BERLIN/MADRID (dpa-AFX) - Wegen stark steigender Corona-Infektionszahlen stuft die Bundesregierung am Sonntag ganz Spanien und damit auch Mallorca und die Kanaren als Risikogebiet ein. Das gab das Robert Koch-Institut am Freitag bekannt. Das bedeutet, dass das Auswärtige Amt mitten in den Sommerferien wieder von touristischen Reisen in das beliebteste Urlaubsland der Deutschen abraten wird. Praktische Folgen ergeben sich für Urlauber aber kaum: Wer mit dem Flugzeug aus Spanien nach Deutschland zurückkehrt, muss wie bisher einen negativen Test oder einen Nachweis über eine vollständige Impfung oder Genesung dabeihaben. Damit entfällt dann die Quarantänepflicht.
Das Gesundheitsministerium betonte, dass Reisen nach Spanien weiterhin möglich sind. "Risikogebiet heißt nicht Urlaubsverbot", sagte ein Ministeriumssprecher. "Es ist aber das deutliche Zeichen: Bitte aufpassen und bei Rückkehr testen."
QUARANTÄNEPFLICHT FÜR ZYPERN WIEDEREINGEFÜHRT
Strengere Auflagen als für Spanien gelten ab Sonntag für die ebenfalls sehr beliebte Urlaubsinsel Zypern, die als Hochinzidenzgebiet mit besonders hohen Infektionszahlen eingestuft wird. Wer dort Urlaub macht und nicht geimpft oder genesen ist, muss künftig für fünf bis zehn Tage in Quarantäne - auch wenn ein negativer Test vorliegt.
Die neuen Einstufungen sind Folge der in vielen Regionen Europas wieder deutlich steigenden Infektionszahlen. In Spanien gelten bereits 6 der 17 Regionen - darunter die Urlaubsgebiete Katalonien und Andalusien - sowie die Exklave Ceuta in Nordafrika als Risikogebiete. Die Balearen mit Mallorca, der beliebtesten Urlaubsinsel der Deutschen, sowie die Kanaren blieben aber bisher verschont.
INZIDENZ IN SPANIEN 33 MAL SO HOCH WIE IN DEUTSCHLAND
Als Risikogebiete werden Länder und Regionen eingestuft, in denen die Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) über 50 liegen. Es ist die niedrigste von drei Risikostufen. Mallorca war Mitte März von der Liste der Risikogebiete gestrichen worden. Inzwischen liegt die Inzidenz auf den Balearen, zu denen auch Menorca, Ibiza und Formentera gehören, im Schnitt schon bei 141. In ganz Spanien sind es sogar 179 - 33 Mal so viel wie in Deutschland.
Bei einer Inzidenz über 200 droht die Einstufung als Hochinzidenzgebiet mit Quarantänepflicht für diejenigen, die nicht geimpft oder genesen sind. Erst dann wären auch für die Reisebranche erhebliche Folgen zu erwarten. Dass die Hochstufung sehr schnell kommen kann, zeigt Zypern. Das Land wurde erst vergangenen Sonntag zum Risikogebiet erklärt. Schon eine Woche später wird es nun zu einem von vier Hochinzidenzgebieten in Europa neben Portugal, Großbritannien und Russland.
MAAS HATTE SPANIEN-URLAUBER BERUHIGT
Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte die Spanien-Urlauber erst am Montag bei einem Besuch in Madrid beruhigt und die Infektionslage als nicht besorgniserregend bezeichnet. "Es gibt keinerlei Hinweise auf Entwicklungen, die befürchten ließen, dass wir in absehbarer Zeit wieder Entscheidungen treffen müssten, die dazu führen, dass deutsche Touristen in Spanien keinen Urlaub mehr machen können", sagte er. Es bestehe weiterhin Grund zur Vorsicht. Aber er gehe derzeit nicht davon aus, dass eine Wiedereinführung der Quarantänepflicht für rückkehrende Spanien-Urlauber kurz bevorstehe.
Die Inzidenz in Spanien lag zu diesem Zeitpunkt knapp über 100 und ist seitdem um fast 80 gestiegen. Wenn es in dem Tempo weitergeht, könnte Spanien nächste Woche dasselbe Schicksal wie Zypern erleiden: Hochstufung zum Hochinzidenzgebiet. Fünf spanische Regionen liegen bereits über 200: Asturien (212), Kantabrien (255), Kastilien und León (331), Katalonien (390) und Navarra (326).
SPANISCHE REGIERUNG HAT ZWEIFEL AN INZIDENZSYSTEM
Die spanische Regierung bezweifelt allerdings, dass die Orientierung an den Infektionszahlen der richtige Weg ist. Die Inzidenz als Gradmesser für das Risiko eines Landes verliere angesichts der hohen Impfrate und der niedrigen Zahl an Corona-Patienten in den Krankenhäusern an Bedeutung, erklärte das Ministerium von Tourismusministerin María Reyes Maroto. Spanien liege bei der Zahl der vollständig Geimpften mit 47,8 Prozent noch vor Deutschland (43,7). Auch die Todesrate sei niedriger als in Deutschland.
Die hohen Infektionszahlen würden bei jungen Menschen registriert, die entweder gar keine oder nur milde Krankheitssymptome entwickelten, hieß es. Die Behörden würden die Lage genau beobachten und notwendige Maßnahmen ergreifen, teilte das Ministerium weiter mit. Urlaub in Spanien sei auf jeden Fall sicher.
"BRUTALER RÜCKGANG DER URLAUBERZAHLEN" BEFÜRCHTET
Einige Vertreter der Tourismusbranche reagierten gereizter. "Verdammt, das sind äußerst schlechte Nachrichten", sagte etwa Alfonso Robledo, Präsident des Unternehmerverbandes Caeb auf Mallorca, der Deutschen Presse-Agentur. "Wie schon im vergangenen Jahr bedeutet das einen brutalen Rückgang der Urlauberzahlen."
Auch Helmut Clemens, Sprecher kleiner und mittelständischer Tourismusunternehmen auf der Insel, äußerte sich verärgert. "Die Bedingungen werden von Politikern bestimmt, die nicht in der Lage sind, die Situation richtig einzuschätzen", sagte er.
Die spanische Tourismusbranche macht gerade eine Achterbahnfahrt durch. Erst erschreckte Frankreichs Europaminister Clément Beaune mit einer Warnung vor Reisen in das Urlaubsland. Andererseits kündigte London dann an, dass vollständig geimpfte Briten nach der Rückkehr aus einem Spanienurlaub ab dem 19. Juli nicht mehr in Quarantäne müssten. Und nun die Einstufung durch Deutschland als Risikogebiet.
DEUTSCHE REISEVERANSTALTER GELASSEN
Der Deutsche Reiseverband (DRV), der die Reiseveranstalter vertritt, reagierte allerdings noch gelassen. "Für Flugreisende ändert sich mit der Einstufung von Spanien als einfaches Risikogebiet faktisch nichts. Reisende können ihren Urlaub wie geplant fortsetzen", sagte DRV-Sprecherin Kerstin Heinen der Deutschen Presse-Agentur. Sie appellierte an alle Reisenden, sich auch während ihres Urlaubs an Hygiene- und Abstandsregeln zu halten. "So ist verantwortungsvolle Mobilität auch in Zeiten von Corona möglich."/mfi/ro/DP/stw
Quelle: dpa-Afx