(Im 15. Absatz wurde ein Wort ergänzt.)

MONTABAUR (dpa-AFX Broker) - Der Internetdienstleister und Telekomanbieter United Internet hat große Pläne. Mit dem Kauf von Mobilfunklizenzen im vergangenen Jahr machte Konzernchef und Großaktionär Ralph Dommermuth den ersten Schritt zum vierten Mobilfunknetzbetreiber im Land. Doch nun gerät die Telekommunikationstochter 1&1 Drillisch (1&1, Yourfone, Smartmobil) mehr und mehr in die Zwickmühle. Was beim MDax -Konzern los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie zuletzt lief.

DAS TREIBT UNITED INTERNET UM:

Knapp 1,1 Milliarden Euro hat Dommermuth im vergangenen Jahr auf den Tisch gelegt, um für das geplante eigene Netz Frequenzblöcke im Umfang von 70 MHz zu erwerben. Mit dem Aufbau eines eigenen Netzes geht die Unsicherheit darüber einher, ob sich die teuren Investitionen in eigene Sendeanlagen und Lizenzen auch auszahlen. Bisher hat United Internet kein eigenes Mobilfunknetz, sondern nutzt die von Telefonica Deutschland und Vodafone . Bei Telefonica darf 1&1 Drillisch deren deutsches Netz mittlerweile zu 30 Prozent mitnutzen - das hatte die EU-Kommission den Spaniern im Zuge der E-Plus-Übernahme aufgegeben.

Doch da fangen die Probleme schon an. Mit dem Sonderdeal über den sogenannten MBA-MVNO-Vertrag hatte sich die damals noch weitgehend eigenständige Drillisch zunächst günstig die Möglichkeit für starkes Wachstum verschafft - prompt schlug Dommermuth zu und übernahm die Maintaler Beteiligung mehrheitlich. Mittlerweile zieht Telefonica aber beim "Partner" die Zügel an. Im vergangenen Jahr bereits entschied ein Gutachter im Rahmen von Preisverhandlungen zur Netzmiete im Sinne der Münchener - da musste United Internet schon einmal die Prognose senken.

Nun kam eine laut United Internet unerwartete Preiserhöhung hinzu, die die Preise auf dem Niveau zwischen Juli 2019 und Juni 2020 zementieren würde - für mehrere Jahre. Die darauf folgende neue Prognosesenkung schockierte die Aktionäre. United Internet und 1&1 Drillisch werfen Telefonica vor, die Kosten für die Nutzung des Mobilfunknetzes vor Abschluss laufender Verhandlungen erheblich erhöht zu haben. Telefonica weist den Vorwurf zurück und sieht die Preise durch Verträge und Vereinbarungen gedeckt.

Problem Nummer Eins: Haben die erhöhten Preise Bestand, dann dürfte es auch in den kommenden Jahren deutliche Gewinnrückgänge bei United Internet hageln. Problem Nummer Zwei: Die erhöhten Preise würden auch die Pläne zum Aufbau eines eigenen 5G-Netzes deutlich beeinträchtigen.

Im Rahmen der Frequenzversteigerung 2019 war in den Vergabebedingungen nämlich festgelegt worden, dass die Netzbetreiber mit einem Neuling über ein sogenanntes "National Roaming" verhandeln müssen, über welches dieser deren Netz mitnutzen könnte. Ansonsten würden die Kunden des Newcomers während des eigenen Netzausbaus im Großteil der Republik ohne Empfang dastehen, sein Markteintritt wäre kaum möglich.

Doch die laufenden Preise des aktuellen Vertrags mit Telefonica wären auch die Grundlage für das "National Roaming". Da die Verhandlungen mit der Deutschen Telekom und Vodafone für eine solche Vereinbarung eher schlecht laufen und 1&1 deswegen die Bundesnetzagentur mit ins Boot holen will, droht der Netzaufbau ein noch teureres Unterfangen zu werden als ohnehin schon.

Die Frage unter Anlegern: Hat Dommermuth zu hoch gepokert und sich unnötigerweise in eine Zwangslage begeben, in der er von den Netzbetreibern aufgerieben zu werden droht? Grundidee der E-Plus-Übernahme durch Telefonica vor einigen Jahren war eben auch, die Zahl der Netzbetreiber von vier auf drei zu senken - Telekom und Vodafone begrüßten den neuen starken Konkurrenten folgerichtig sogar. Nun droht ein neuer Wettbewerber die Konkurrenz wieder anzustacheln. Auf der anderen Seite wird in der Branche seit längerem spekuliert, Dommermuth könne die Pläne zum Aufbau eines 5G-Netzes kurzerhand auch wieder begraben - und die ersteigerten Frequenzen einfach an die anderen Konzerne weiterverkaufen. United Internet hielt bislang in der Öffentlichkeit jedoch immer an den Netzplänen fest.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Immerhin: Der Kurssturz infolge der jüngsten schlechten Nachrichten sei enorm übertrieben, schrieb Analyst Holger Schmidt vom Bankhaus Metzler in einer Studie. Allerdings brauche die Klärung über die künftigen Vorleistungspreise bei Telefonica wohl einige Zeit. Er glaubt jedoch fest daran, dass die künftigen Preise für Sprache und Daten weiter sinken anstatt für mehrere Jahre stabil zu bleiben. Bei einem beibehaltenen Kursziel von 37 Euro votiert Schmidt nun mit "Kaufen".

Commerzbank-Analystin Heike Pauls hob die Aktie nun wieder auf "Kaufen", wenn auch mit leicht reduziertem Kursziel von 45 Euro. Die Preisverhandlungen bräuchten noch Zeit und auch der seit mehreren Jahren ins Auge gefasste Börsengang der Sparte mit Geschäftsanwendungen 2021 sei aktuell kein direkter Kurstreiber. Angesichts des scharfen Kursabsturzes bestehe aber die Chance für eine starke Neubewertung.

Ulrich Rathe von Jefferies rechnete vor, die von Telefonica Deutschland präsentierten Vorleistungsrechnungen für Juli und August bedeuteten bei 1&1 Drillisch und United Internet jeweils einen Rückgang des operativen Ergebnisses von 25 beziehungsweise 13 Prozent. Das Geschäft von 1&1 Drillisch sei nicht bezifferbaren Risiken im juristischen Streit ausgesetzt - auch wenn der Schritt von Telefonica taktischer Natur sein könnte. Die seit der Prognosesenkung im dpa-AFX-Analyser erfassten Einschätzungen von Analystinnen und Analysten lassen nun Kurschancen bei United Internet erkennen: Vier der acht Experten raten zum "Kaufen" und vier zum "Halten". Das durchschnittliche Kursziel liegt mit gut 41 Euro deutlich über dem aktuellen Kurs von fast 33 Euro.

SO LIEFEN DIE AKTIEN:

Für Aktionäre von United Internet ist der jüngste Kursrutsch sehr schmerzhaft, waren die Titel doch auf dem Sprung, sich nach und nach vom angekündigten Schwenk im Geschäftsmodell und vom Covid-Schock zu erholen. Am ersten Handelstag nach der Prognosesenkung am Wochenende verloren die Aktien von United Internet fast 24 Prozent, diejenigen von 1&1 Drillisch fast 28 Prozent. Am Dienstag konnten sich beide Titel etwas erholen, liegen aber immer noch rund ein Fünftel beziehungsweise ein Viertel unter dem Niveau vom Freitag.

Mitgründer Dommermuth gehören 42,3 Prozent der United-Internet-Aktien - der Wert seines Anteils ist damit binnen zwei Tagen um etwas mehr als 600 Millionen Euro geschrumpft. Sein Konzern ist an der Börse insgesamt aktuell mit rund 6,3 Milliarden Euro bewertet. 1&1 Drillisch ist zu gut 75 Prozent im Besitz von United Internet und bringt rund 3,2 Milliarden Euro auf die Börsenwaage.

Im Zuge der Ankündigung, mit 1&1 Drillisch ein eigenes 5G-Netz aufbauen zu wollen, waren die Papiere von United Internet Mitte 2018 jäh vom Niveau bei fast 60 Euro abgestürzt, Mitte 2019 waren es im Anschluss an die Versteigerung der Lizenzen nur noch um die 25 Euro.

Erholen konnte sich die Aktie nur zwischenzeitlich, bis die gutachterliche Entscheidung im Herbst 2019 für den nächsten Dämpfer sorgte. Im Zuge des Corona-Crashs ging es dann bis auf fast 20 Euro herunter, bevor United Internet mit dem Boom an den Tech-Börsen zügig an Höhe gewann und bald wieder Kurs über 40 Euro erreichte.

Diesen Post-Corona-Aufschwung konnte die Telekom-Aktie von 1&1 Drillisch nicht in gleicher Stärke mitmachen. United Internet vereint unter dem Konzerndach neben dem Privatkundengeschäft von 1&1 Drillisch noch die Glasfasertochter 1&1 Versatel für Gewerbekunden, die Internetservices rund um die Marken Ionos und Strato sowie unter anderem auch die Privatkundenportale Web.de und GMX.

Gerade infolge der Corona-Pandemie hatten Investoren weltweit beherzt bei Technologie-Aktien zugegriffen. Auch wenn das Telekomgeschäft sich in der Krise nicht nur bei 1&1 Drillisch als robust erwies, hatten die defensiv ausgerichteten Branchentitel Nachteile gegenüber ihren Cousins mit mehr Wachstumsfantasie./men/ssc/zb

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Quelle: dpa-Afx