BERLIN (dpa-AFX) - Vor den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch sind keine großen Lockerungen der Corona-Regeln in Sicht. Mehrere Politiker mahnten am Wochenende angesichts der Ausbreitung von Mutationen des Coronavirus noch einmal zu größter Vorsicht. Nach einer neuen Umfrage ist auch jeder zweite Deutsche gegen eine Lockerung des Lockdowns. Unterdessen haben erste Bundesländer Lieferungen des Corona-Impfstoffs des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der "Bild am Sonntag": "Wir dürfen uns nicht öffentlich mit Lockerungs-Fahrplänen überbieten." Die Zahl der Neuinfektionen sei derzeit kaum niedriger als Ende Oktober, als der Lockdown begann. Aber Altmaier versuchte, Hoffnungen zu machen: "Ich hoffe sehr, dass wir spätestens zum Frühlingsanfang, spätestens an Ostern, wenn die Sonne scheint und man draußen sitzen und speisen kann, die Pandemie-Welle endgültig gebrochen haben und Öffnungen möglich sind." Er plädierte für ein regionales Vorgehen, je nach Höhe der regionalen Infektionszahlen.
Der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist bislang bis zum 14. Februar befristet. Am Mittwoch wollen der Bund und die Bundesländer bei einer Schalte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten, wie es dann weitergeht.
Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 8616 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 231 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Sonntag hervorgeht. Vor genau einer Woche hatte das RKI 11 192 Neuinfektionen und 399 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Sonntagmorgen bei 75,6.
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sind 37 Prozent der Bürger für eine Verlängerung der bisherigen Einschränkungen über den 14. Februar hinaus, weitere 13 Prozent sind sogar für eine Verschärfung. Dagegen sind 30 Prozent für eine Lockerung und 13 Prozent für eine komplette Rückkehr zur Normalität. 7 Prozent machten keine Angaben. Die Akzeptanz der ergriffenen Maßnahmen schwindet aber: Anfang Januar - vor der letzten Verlängerung des Lockdowns - waren noch fast zwei Drittel (65 Prozent) für eine Beibehaltung oder Verschärfung der Maßnahmen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) räumte Fehler im Corona-Krisenmanagement ein. "Der Lockdown light im November war falsch, die Einschränkungen gingen nicht weit genug", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". "Von Teilen der Wissenschaft hatten wir die Ansage, dass das genügen könnte. Das war aber ein Irrtum." Man habe in der Situation unter Druck handeln müssen. "Dabei passieren Fehler, das ist leider so." Kretschmann schlug eine umfassende Fehleranalyse nach der Pandemie vor. "Wenn sie im Großen und Ganzen vorbei ist, würde ich dem Bundestag empfehlen, umgehend eine Enquete-Kommission einzusetzen, gerne auch schon im Frühsommer."
Mehrere Verbände und Gewerkschaften fordern Bund und Länder auf, bei ihren Beratungen einen einheitlichen Stufenplan mit verbindlichen Kriterien für Schulöffnungen zu verabschieden. Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag), es brauche bundesweit einheitliche Kriterien für stufenweise Schulöffnungen. Auch die Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, forderte einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen Stufenplan. "Mit diesem hätten Länder, Kreise und Städte dann mit Blick auf das Infektionsgeschehen vor Ort die Möglichkeit, flexibel zu agieren. Das föderale Durcheinander muss endlich beendet werden."
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hält eine Öffnung von Schulen vorerst nur in Ausnahmefällen für möglich. Eine flächendeckende Rückkehr zum Präsenzunterricht "dürfte momentan wegen der allgemeinen Infektionslage vermutlich noch verfrüht sein", sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Vielleicht kann mit großer Vorsicht ein erster Schritt gegangen werden."
Für Kitas und Schulen sind die Bundesländer selbst zuständig. Ein deutschlandweit einheitliches Vorgehen wird zwar immer wieder diskutiert, ist aber wegen der unterschiedlichen Interessen in den Ländern kaum durchsetzbar./bg/DP/fba
Quelle: dpa-Afx